28 II. Abschnitt. Reich und Einzelstaaten.
von Osterreich angenommen hatte, bei Niederlegung der
deutschen Kaiserkrone das reichsoberhauptliche Amt und
Würde für erloschen. Nach der Niederwerfung Napoleons
bestimmte der Pariser Friede vom 30. Mai 1814 in Art. 6,
daß die deutschen Staaten unabhängig sein und durch ein
föderatives Band vereinigt werden sollten.
Am 8. Juni 1815 wurde sodann auf dem Wiener
Kongreß der Deutsche Bund gegründet, dessen Verfassung
in der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 niedergelegt
ward. Der Deutsche Bund vermochte nicht die nationalen
Hoffnungen des deutschen Volkes zu erfüllen und wurde
durch seine freiheitsfeindliche Haltung und seine Untätigkeit
für allgemeine Nationalinteressen mehr und mehr Gegen-
stand der Verachtung und des Hasses. Unter dem Drucke
der Pariser Revolution (Februar 1848) versuchte er zwar,
das Versäumte nachzuholen, aber zu spät. Schon hatte sich
eine hochgehende Volksbewegung der Aufgabe einer staat-
lichen Einigung Deutschlands bemächtigt; die Bewegung
scheiterte aber völlig und im Jahre 1851 wurde der Bundes-
tag wieder eröffnet. Die Pläne, die seitdem bis zum
Jahre 1866 sich mit der Reform der Bundesverfassung be-
schäftigten, kamen nicht zur Ausführung.
II. Don 1866 bis 1870. Schon während des Krieges
von 1866 nahm die preußische Regierung die Frage der
staatlichen Neugestaltung Deutschlands in Angriff. Im Frie-
den von Prag (23. August 1866) erkannte der Kaiser von
Osterreich die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes
an, stimmte einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne Be-
teiligung des österreichischen Kaiserstaates zu, versprach, das
engere Bundesverhältnis anzuerkennen, das der König von
Preußen nördlich der Mainlinie begründen würde und er-
klärte sich damit einverstanden, daß die deutschen Süd-
staaten (Bayern, Württemberg, Baden, Hessen) zu einem
Vereine zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit