38 II. Abschnitt. Reich und Einzelstaaten.
haben. Diese Rechte nennt man Sonderrechte. Sie sind
begründet entweder durch einen Vertrag des Reichs mit
dem betreffenden Bundesstaat oder durch die Reichsver—
fassung, ein Reichsgesetz oder einen Beschluß des Bundesrats
innerhalb der demselben zustehenden Kompetenz.
Es gibt dreierlei Arten von Sonderrechten:
1. Beschränkung der Reichszuständigkeit inso—
fern, als einzelnen Staaten auf gewissen Gebieten Zu—
ständigkeiten verblieben sind, die auf diesen Gebieten sonst
dem Reich zustehen. Diese Rechte nennt man Reservat-
rechte; vergl. darüber 8§ 8.
2. Eine 2. Klasse von Sonderrechten bilden die Bevor-
zugungen einzelner Staaten auf dem Gebiet
der Reichsorganisation. Solche Rechte haben:
a) Preußen. Art. 11 der Reichsverfassung bestimmt
nämlich: „Das Präsidium des Bundes steht dem König
von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt.“
Alle in der Reichsverfassung und den Reichsgesetzen dem
Kaiser oder Präsidium beigelegten Vorrechte stehen also
dem König von Preußen in seiner Eigenschaft als Deutscher
Kaiser zu.
b) Bayern hat folgende Sonderrechte:
1. 6 Stimmen im Bundesrat (Reichsverfassung Art. 6),
während ihm nach dem der Stimmverteilung im
Bundesrat zugrunde gelegten Prinzip nur 4 Stim-
men zukommen würden; nach diesem Prinzip hat
nämlich jeder Staat so viel Stimmen im Bundesrat,
als er in dem Plenum des ehemaligen Deutschen
Bundes (1815—1866; s. 8 4, 1) hatte; s. 8 40, II.
2. einen ständigen Sitz in dem Bundesratsausschuß
für das Landheer und die Festungen; s. § 40, WV.
3. den Vorsitz in dem Bundesratsausschuß für die aus-
wärtigen Angelegenheiten; s. § 40, V.