Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

40 II. Abschnitt. Reich und Einzelstaaten. 
zuwirken hat, ist von der Frage zu trennen, unter welchen 
Voraussetzungen ein von der Staatsregierung ausgespro— 
chener Verzicht wirksam ist. Hat die Regierung des be— 
treffenden Bundesstaats ihre Zustimmung zu der Aufhebung 
des Sonderrechts durch ihre Abstimmung im Bundesrat 
erteilt, so ist das betreffende Reichsgesetz wirksam, sofern 
es nur nach den Vorschriften der Reichsverfassung erlassen 
ist; gleichgültig ist es dabei, ob der Landtag des betreffenden 
Einzelstaats nach dessen Gesetzgebung seine Zustimmung 
hätte erteilen sollen oder nicht und ob er gegen die Auf— 
hebung des Sonderrechts protestiert oder nicht. Denn zum 
Zustandekommen eines Reichsgesetzes genügen übereinstim— 
mende Beschlüsse von Bundesrat und Reichstag. Ob die 
Regierungen bei der Stimmenabgabe im Bundesrat durch 
Landesgesetze beschränkt sind, ist eine Frage des inneren 
Einzelstaatsrechts, die auf die Gültigkeit der einmal er— 
folgten Abstimmung im Bundesrat ohne Einfluß ist. 
Dagegen ist ein Landesgesetz, das die Aufhebung eines 
Sonderrechts von der Zustimmung des Landtags abhängig 
macht, zulässig. Verstoßt die Regierung des betreffenden 
Bundesstaats gegen dieses Landesgesetz, so kann sie nach 
Maßgabe des Landesrechts zur Verantwortung gezogen 
werden. Allein die Abstimmung im Bundesrat bleibt wirk— 
sam. 
III. Rechte der Zundesstaaten als Einzelner (in 
der Sprache der Wissenschaft auch jura singulorum genannt). 
Unter I haben wir von den Rechten gesprochen, die den 
Einzelstaaten vermöge ihrer Mitgliedschaft am Reich zu- 
stehen; unter II sind die Abweichungen von dem Grund- 
satze, daß alle Staaten vermöge ihrer Mitgliedschaft am 
Reiche gleiche Rechte und Pflichten haben, erörtert worden. 
Unter III sprechen wir von denjenigen Rechten, welche die 
Einzelstaaten als Sonderpersönlichkeiten haben. Die Einzel- 
staaten sind nach der Reichsverfassung ja keineswegs im
	        
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