Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

42 II. Abschnitt. Reich und Einzelstaaten. 
im Wege des Staatsvertrags erfolgenden Vereinigung 
mehrerer Bundesstaaten zu einem Staat nicht entgegen. 
Ein solcher Staatsvertrag kann in Betracht kommen, wenn 
infolge des Thronfolgerechts ein Fürst zur Herrschaft über 
2 oder mehrere deutsche Bundesstaaten gelangt. Zu einer 
solchen Vereinigung bedarf es keines Reichsgesetzes. Ob 
die Vereinigung der Stimmen, welche die betreffenden 
Staaten im Bundesrat führen, in einer Hand nicht eine 
Abänderung der Reichsverfassung darstellt, ist strittig. In 
einem solchen Fall würde aber jedenfalls ein Reichsgesetz 
die Frage regeln. 
§ S8. Die Kelservatrechte. 
I. was versteht man unter Reservatrechten? 
Reservatrechte sind Rechte, welche einzelnen Bundesstaaten 
auf gewissen Gebieten Zuständigkeiten gewähren, die auf 
diesen Gebieten sonst dem Reiche zustehen (s. § 7, Il). 
II. Die Zeseitigung der RZReservatrechte. Da die 
Reservatrechte Sonderrechte (s. § 7, II) sind, so gilt über 
ihre Aufhebung dasselbe, was über die Aufhebung der Son- 
derrechte gesagt worden ist (s. 8 7, II). 
III. Die Reservatrechte Baperns sind folgende: 
1. Die Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reichs 
ist ausgeschlossen hinsichtlich der Heimats= und 
Niederlassungsverhältnisse, wohin auch das 
Verehelichungswesen, soweit es mit den Heimats- 
und Niederlassungsverhältnissen zusammenhängt, ge- 
hört (Reichsverfassung Art. 4 Ziff. 1). In Bayern 
gilt also nicht das Reichsgesetz über den Unter- 
stützungswohnsitz, sowie das Gesetz betr. die Auf- 
hebung der polizeilichen Beschränkungen der Ehe- 
schließung vom 4. Mai 1868, wohl aber gilt auch in 
Bayern das Freizügigkeitsgesetz. Ebenso gelten in
	        
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