8 19. Verfassungsformen im allgemeinen. 83
Minderheit sind, zu überstimmen. Deshalb muß, aus poli—
tischen Gründen, stets der Versuch gemacht werden, die
möglichste Einheit unter den Einzelstaaten herbeizuführen.
Daß dies oft lange Verhandlungen notwendig macht, liegt
auf der Hand. Aber größer noch ist bei kollegialer Organi—
sation des Trägers der Staatsgewalt der Nachteil, daß
eine kraftvolle und einheitliche Leitung der auswärtigen
Politik, des Heerwesens und der Marine fast unmöglich ist.
Diese Gefahren hat die Verfassung des Deutschen Reichs
glücklich vermieden, indem sie die erwähnten Befugnisse
nicht dem Bundesrat, sondern dem Kaiser gibt.
Zum sichtbaren Ausdruck kommt die Einheit des deut-
schen Volkes in seiner Vertretung gegenüber den Verbündeten
Regierungen, dem Reichstag, sowie in der Person des
Kaisers.
III. Die beutschen Einzelstaaten sind Monarchien,
abgesehen von den 3 Hansestädten Lübeck, Bremen und Ham-
burg, die die republikanische Staatsform haben. Elsaß-
Lothringen ist überhaupt kein Staat, sondern ein Verwal-
tungsbezirk des Reichs.
Die monarchischen Staaten haben in den Landtagen
eine Volksvertretung, welche die Rechte des Monarchen be-
schränkt. Die Volksvertretung ist in allen monarchischen
Einzelstaaten, abgesehen von den beiden mecklenburgischen
Großherzogtümern, eine modern konstitutionelle, d. h.
also eine Vertretung der Staatsbürger in ihrer Gesamtheit.
Wenn diese auch in den einzelnen Staaten nach verschiedenen
Grundsätzen gebildet wird, so ist doch daran festgehalten, daß
das Volk als Ganzes, nicht in seiner Gliederung nach
Ständen vertreten wird.
Die Organisation der konstitutionell-monarchischen
Staaten ist im 5. Abschnitt ausführlicher behandelt, während
in den beiden folgenden §8 die Organisation der beiden