Als er bei der politischen Direktion Rat eriragte, sagte
ihm Herr Berthelot?) ganz privat, dass Serbien versuchen
sollte, Zeit zu gewinnen, da die Frist von 48 Stunden
vielleicht mehr eine entschiedene Aufforderung als ein eigent-
liches Ultimatum bedeute,*) dass es beispielsweise anginge, für
einige nicht mit der Würde und der Souveränität Serbiens un-
vereinbare Punkte sogleich Genugtuung anzubieten; es wurde
iım geraten, darauf hinzuweisen, dass die Feststellungen der
österreichischen Untersuchung von Seraiewo einseitig seien,
und dass Serbien, obgleich es bereit sei, gegen alle Mitschul-
digen an dem Verbrechen, das es vollständig missbillige, vor-
zugehen, verlange über die Beweise aufgeklärt zu werden, um
sie schnell zu prüfen; Serbien möge vor allem versuchen, dem
direkten Verkehr mit Oesterreich zu ent-
schlüpien, indem es sich bereit erkläre, sich dem Schieds-
spruch Europas zu unterwerfen.‘)
Ich habe in London und St. Petersburg nach den Absichten
der englischen und russischen Regierungen gefragt. Anderer-
seits geht aus unsern Informationen hervor, dass Italien erst
heute die Mitteilung der Note erhielt, über die es weder befragt
noch unterrichtet worden war.)
Der französische stellvertretende Minister des Aeusseren,
Bienvenu-Martin, nach Stockholm (für den Minister-
präsidenten) und an die französischen Vertreter.
Gelbbuch Nr. 28.
Paris.
Nerr von Schön teilte mir eine Note seiner Regierung
mit, ohne mir eine Abschrift lassen zu wollen, las sie mir aber
aui meinen Wunsch zweimal vor.
Diese Note lautet fast wörtlich folgendermassen :
= 00.0.0000)
Ich bemerkte dem deutschen Botschafter gegenüber, dass,
so sehr das Verlangen nach Bestrafung aller Mitschuldigen an
dem Attentat von Seraiewo auch gerechtfertigt erscheine, man
doch schwer für die Würde und die Souveränität Serbiens
G1b.Nr.26.?)Stellvertretenderpolitischer Direktorim Quaid’Orsap.
°®) Vergleiche Bib. Nr. 14 und Rb. Nr. 17.
*) Die Aufforderung, dem «direkten Verkehr mit Oesterreich-
Ungarn zu entschlüpfen», hiess mit andern Worten den Streitfall
internationalisieren. Dieses Programm, dem Frankreich treu blieb,
steht strikt dem deutschen Programm der «Lokalisierung» gegenüber.
6) Siehe S. 325— 326.
Gib. Nr. 28. ') Text der Mitteilung siehe Wb. Anlage 1.
Am Quai d’Or-
say rät man
Serbien, Zeit
zu gewinnen
und sich der
direkten Rege-
lung mit
Oesterreich zu
entziehen.
Bienvenu-Mar-
tin tadelt dem
deutschen Bot-
schafter ge-
genüber den
österreichisch-
ungarischen
Schritt und
verhält sich
der deutschen
Demarche ee-
genüber ableh-
nend.