Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

Bienvenu-Mar- 
tin hält von 
Jagows Politik 
für dilatorisch 
und wenig be- 
friedigend und 
die deutsche 
Stimmung für 
chauvinistisch. 
160 26. Juli 
tärische Operationen nach sich ziehen soll, will der Staats- 
sekretär noch hoffen, dass die Mächte Zeit zur Intervention 
haben. 
Die Sprache, die der Staatssekretär in Berlin dem russi- 
schen Geschäftsträger gegenüber führte, ist wenig befriedigend 
und dilatorisch; als dieser ihn aufforderte, sich einer Demarche 
in Wien für eine Fristverlängerung beizugesellen, antwortete er, 
dass er bereits in diesem Sinne gehandelt habe, aber dass es 
zu spät sei; auf die Aufforderung, eine Frist zu erlangen, um 
die exekutiven Massregeln aufzuschieben, erwiderte er, dass 
es sich um eine innere Angelegenheit, nicht um einen Krieg, 
sondern um eine Lokalexekution handle. Herr von Jagow tut so, 
als glaube er nicht, dass die österreichische Aktion allgemeine 
Folgen nach sich ziehen könne. ’°) 
In Berlin vollzieht sich eine wahre chauvinistische Explo- 
sion. Der Kaiser kommt direkt nach Kiel zurück.‘) Herr Jules 
Cambon meint, dass bei den ersten militärischen 
Massregeln Russlands Deutschland sofort 
antworten und wahrscheinlich nicht einen Vorwand ab- 
warten würde, um uns anzugreifen. 
In Wien hatte der französische Botschafter keine Zeit 
niehr, um sich der Demarche seines russischen Kollegen anzu- 
schliessen, um eine Verlängerung der Serbien gestellten Frist 
zu erlangen; er bedauert das nicht, da diese Demarche ener- 
gisch zurückgewiesen wurde und England gleichfalls nicht die 
Zeit hatte, seinem Vertreter diesbezügliche Instruktionen zu 
erteilen. ”) 
Eine Note der englischen Botschaft wurde mir überreicht; 
sie berichtet über die Konferenz, die der englische Botschafter 
in Petersburg mit Sasonow und Herrn Pal&ologue hatte.°) Sir 
E. Grey glaubt, dass die vier nicht interessierten Mächte bei 
Russland und Oesterreich darauf dringen sollten, dass ihre Ar- 
imeen nicht die Grenze überschreiten und England, Frankreich, 
Deutschland und Italien Zeit lassen, ihre Vermittlung auszu- 
üben. Wenn Deutschland annimmt, so glaubt die englische Re- 
gierung, dass Italien glücklich sein würde, sich der gemein- 
Gib. Nr. 50. ®) Auch diese Behauptungen Bienvenu-Martins ent- 
sprechen nicht den Tatsachen. von Jagow sagte, dass er in Wien ein- 
wirken würde, und auch dem Ersuchen um Aufforderung in Wien, zwecks 
Aufschub militärischer Massnahmen, wurde stattgegeben. Siehe Bib. 34 
und Rb. 29. 
°) Kaiser Wilhelm brach am 25. Juli seine Nordlandreise ab. 
Er traf am 27. Juli in Potsdam ein. 
) Auch das ist nicht richtig. Aus Blb. Nr. 26 geht hervor, dass Grey 
dem englischen Botschafter in Wien diesbezügliche Instruktionen erteilte. 
°®) Diese Note ist im Gib. nicht abgedruckt. Sie bezieht sich 
offenbar auf das im Bib. Nr. 6 berichtete Petersburger Gespräch.
	        
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