Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

26. Juli 165 
  
Der englische Botschafter in Wien, Sir M. de Bunsen, an 
den englischen Staatssekretär des Aeusseren, Sir 
Edward Grey. 
  
  
Blaubuch Nr. FO. 
Wien. 
Der russische Botschafter, der soeben von seinem Urlaub 
zurückgekehrt ist, glaubt, dass die Oesterreichisch-Ungarische 
Regierung zum Krieg entschlossen ist und dass Russland un- 
nıöglich unbeteiligt bleiben könne. Er hat sich vorgenommen, 
äusserte sich in seiner Unterhausrede vom 27. Juli folgendermassen 
über sein Projekt: «Bei diesem Vorschlag ist die Zusammenarbeit 
der vier Mächte natürlich das Wichtigste. In einer so schweren Krisis 
wie diese es ist, würden die Bemühungen einer einzelnen Macht, den 
Frieden zu erhalten, wirkungslos sein. Die Zeit, die uns in dieser An- 
gelegenheit zur Verfügung stand, war so kurz, dass ich es riskieren 
musste, einen Vorschlag zu machen, ohne die üblichen vorbereitenden 
Schritte zu unternehmen und ohne mich zu versichern, ob er gut auf- 
genommen wird. Aber wo die Dinge so ernst sind und die Zeit so 
kurz ist, lässt sich die Gefahr, etwas Unwillkommenes vorzuschlagen, 
nicht vermeiden. Ich bin trotzdem der Ansicht, vorausgesetzt, dass 
der inder Presse erschienene Text derserbischen Ant- 
wort richtig ist, wie ich es glaube, dass dieser Vorschlag wenig- 
stens eine Grundlage bilden sollte, auf der eine freundschaft- 
liche und unparteiische Gruppe von Mächten, unter denen sich 
solche befinden, die bei Oesterreich-Ungarn und Russland gleiches 
Vertrauen geniessen, eine Beilegung finden könnten, welche allgemein 
annehmbar sein würde. >» 
Eine wichtige Voraussetzung des Konferenzvorschlags war also 
die Einstellung aller militärischen Vorbereitungen. Während, wie wir 
später sehen werden, die Bedenken Deutschlands gegen die Form 
einer Konferenz im Dreiverbande auf das Stärkste gegen die deutsche 
Haltung ausgenutzt wurden, obgleich Deutschland einer Vermittlung 
durchaus geneigt war, hatte Grep nichts dagegen einzuwenden, dass 
die wesentliche Voraussetzung von Russland über den Haufen ge- 
worfen wurde: dass Russland rüstete. Aus der Rede Greys geht 
ferner hervor, dass als Voraussetzung die Richtigkeit des in der Presse 
erschienenen Textes der serbischen Antwortnote gelten müsse. Wir 
haben in der Anmerkung zu Rb. Nr. 34 bereits feststellen können, 
dass dies durchaus nicht der Fall war, weil bei geschickter Form 
die serbische Antwort nur eine Ablehnung fast aller Forderungen 
Oesterreich-Ungarns bedeutete. Von besonderem Interesse ist end- 
lich der Satz der Grepschen Erklärung im Unterhause von der «un- 
parteiischen» Gruppe von Mächten. Wie sehr England und Frankreich 
unparteiisch waren und wie unparteiisch sie auf der Konferenz ge- 
wirkt hätten, geht zur Genüge aus den vorhergehenden Stücken des 
Gib. und des Bib. hervor. 
Die Dreiver- 
bandsdiploma- 
ten in Wien 
halten eine An- 
nahme des 
Greyschen 
Vorschlages 
für unmöglich.
	        
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