Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

172 26. Juli 
Der stellvertretende politische Direktor antwortete so- 
gleich: «Also ist in Ihrer Auffassung alles geregelt und Sie brin- 
gen uns die Versicherung, dass Oesterreich die serbische Note 
annimmt oder sich zu Unterhandlungen mit den Mächten dar- 
über bereit erklärt ?» Da der Botschafter überrascht war 
und lebhaft veerneinte, wurde ihm auseinandergesetzt, dass, 
wenn sich nichts in der negativen Haltung Deutschlands ge- 
ändert habe, der Wortlaut der « Note für die Presse », die er 
anregte, übertrieben sei und die öffentliche Meinung Frank- 
reichs in eine falsche Sicherheit einwiegen könne, indem er 
Illusionen über die wirkliche Lage schaffe, deren Gefahren nur 
allzu offenbar wären. 
Auf die Versicherungen, die der deutsche Botschafter ver- 
schwenderisch über seine optimistischen Eindrücke äusserte, 
antwortete der stellvertretende politische Direktor mit der 
Frage, ob er ihm gestatte, ganz persönlich und privat zu 
sprechen, Mann zu Mann, in aller Freiheit und ohne ihre be- 
treffenden Funktionen in Betracht zu ziehen. Freiherr von Schön 
bat ihn, das zu tun. 
DS erklärt Herr Berthelot sagte nun, dass für den gesunden Men- 
Lontik für schenverstand die Haltung Deutschlands unerklärlich sei, 
wenn sie nicht zum Kriege hinziele: eine 
rein obiektive Analyse der Tatsachen und der Psycho- 
logie der österreichisch - deutschen Beziehungen führten 
logischerweise zu diesem Schlusse. Angesichts der wie- 
derholten Behauptung Deutschlands, dass es den In- 
halt der österreichischen Note nicht gekannt habe, sei 
es nicht mehr erlaubt, über diesen Punkt Zweifel zu äussern; 
war es aber immerhin wahrscheinlich, dass Deutschland sich 
mit geschlossenen Augen in einem solchen Abenteuer auf die 
Seite Oesterreichs gestellt hätte? Gestattete die Psychologie 
aller vergangenen Beziehungen zwischen Wien und Berlin die 
Annahme, dass Oesterreich eine Haltung eingenommen hätte, 
die keinen Rückzug erlaubt, ohne vorher mit seinem Verbün- 
deten alle Folgen seiner Hartnäckigkeit erwogen zu haben? 
Wie überraschend erschiene die Weigerung Deutschlands, 
in Wien einen Vermittlungsratschlag zu zeben, jetzt, da es den 
aussergewöhnlichen Text der österreichischen Note kannte! 
Welche Verantwortung nehme die deutsche Regierung auf sich 
und welche Verdächtisungen lasteten auf ihr, wenn es dabei 
verharrte, sich zwischen Oesterreich und die Mächte zu stel- 
len, nach der gewissermassen vollständigen Unterwerfung 
Serbiens, während der geringste Ratschlag, den es in Wien 
erteilte, einem Alpdruck ein Ende machen würde, der auf Eu: 
ropa lastete !
	        
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