26. Juli 173
Der Bruch der diplomatischen Beziehungen durch Oester-
reich, seine Kriegsdrohungen und die Mobilmachung, die es
durchführe, machten eine friedliche Aktion Deutschlands be-
sonders dringlich, denn vom Tage an, da die österreichischen
Truppen die serbische Grenze überschritten, würde man sich
angesichts eines Tatbestandes befinden, der zweifellos das
Petersburger Kabinett zum Einschreiten zwinge und die Ge-
fahr mit sich brächte, einen Krieg zu entfesseln, den Deutsch-
land erkläre vermeiden zu wollen.
Herr von Schön, der mich lächelnd anhörte, bestätigte
von neuem, dass Deutschland den Text der österreichischen
Note nicht kannte!) und sie erst nach ihrer Ueber-
reichung gebilligt habe; es denke immer noch, dass Serbien
eine ziemlich strenge Lehre nötig habe, damit es sie nicht ver-
gesse, und dass Oesterreich es sich selbst schuldig sei, einer
gefährlichen und für eine Grossmacht unduldbaren Situation
ein Ende zu machen. Er erklärte übrigens, dass er den Text der
serbischen Antwort nicht kenne und zeigte sich persönlich er-
staunt, dass sie Oesterreich nicht befriedigt habe, wenn sie
allerdings so sei, wie die oft schlecht informierten Zeitungen
sie hinstellen.
Er betonte nochmals die friedlichen Absichten Deutsch-
lands und äusserte seine Meinung über die Wirkung, die gute,
zum Beispiel in Wien und zum Beispiel von England ausgespro-
chene freundschaftliche Ratschläge haben könnten. Nach seiner
Ansicht wir Oesterreich nicht hartnäckig; es weise nur den
Gib. Nr. 57. ') Hier bringt das Gib. eine Fussnote, in der auf
das Dokument Gib. 21 (angebliche Aeusserung v. Hertlings, der die
Note gekannt haben soll) und ein Telegramm des englischen Botschaf-
ters in Wien, Bib. Nr. 95, verwiesen wird, in dem Bunsen behauptet,
aus privater Quelle zu wissen, ohne dass er die Nachricht nachprüfen
könne, dass der deutsche Botschafter in Wien die Note vor der Ueber-
reichung kannte und dem deutschen Kaiser telegraphiert habe. Was das
Dokument Glb. 21 betrifft, so siehe Einführung S. 36-37. Was den Wert der
Information, auf die sich Bunsen Bib. 95 stützt und die Bienvenu-Martin
hier der erneuten feierlichen Erklärung von Schöns entgegenhält, be-
trifft, so sei auf eine andere englische Information über die Vorge-
schichte der Note aufmerksam gemacht. Am 23. Juli telegraphierte
der englische Botschafter in Rom an Grey, er nehme an, dass die
italienische Regierung von der Note, die an Serbien überreicht werden
soll, in Kenntnis gesetzt wurde, Blb. 38. Bekanntlich behauptete aber auch
die italienische Regierung, dass sie die Note nicht vorher gekannt
habe. Während Bienvenu-Martin nun den deutschen Versicherungen
keinen Glauben schenkt, in ihnen eine kriegerische Absicht vermutet und
sie durch englische Vermutungen entkräften will, glaubt er den ita-
lienischen Versicherungen vollständig, sieht in ihnen die Gewähr für
die friedliche Haltung Italiens und denkt nicht daran, dem Telegramm
38 des Bib. die entscheidende Bedeutung beizumessen, die er dem
Telegramm Bib. 95 zuspricht.
von Schön er-
klärt nach-
drücklich, dass
Deutschland
den Frieden
will.