1. August 315
mit Russland abgelehnt hätten. Dies sei, wie ich ihm schon
ohne Auftrag versichert hätte, ein Irrtum. Euer Exzellenz
seien nicht nur gerne bereit, mit Russland auf breitester Basis
zu verhandeln, sondern auch speziell geneigt, unseren Noten-
{ext einer Besprechung zu unterziehen, sofern es sich
um dessen Interpretation handle.
Ich betonte, wie sehr die Instruktionen Euer Exzellenz
an mich einen weiteren Beweis guten Willens böten, wenn ich
iım auch noch einmal in Erinnerung rufen müsse, dass mir
die durch die seitherige allgemeine Mobili-
sierung geschaffene Situation unbekannt sei,
ich könne nur hoffen, dass uns der Gang der Ereignisse nicht
schon zu weit geführt habe; jedenfalls hätte ich es
für meine Pflicht gehalten, im gegenwärtigen Augenblicke den
guten Willen der k. und k. Regierung nochmals zu dokumen-
tieren. Herr Sasonow erwiderte, er nehme von diesem Be-
weise guten Willens mit Befriedigung Akt; doch möchte er
mich aufmerksam machen, dass ihm Unterhandlun-
gen in Petersburg aus naheliegenden Grün-
denwenigerErfolgversprechenderschienen
als solche auf dem neutralen Londoner Ter-
rain. Ich erwiderte, Euer Exzellenz gingen, wie ich schon
dargelegt hätte, vom Gesichtspunkte einer direkten Fühlung-
nahme in St. Petersburg aus, so dass ich nicht in der Lage sei,
zu seiner Anregung bezüglich Londons Stellung zu nehmen,
doch würde ich Euer Exzellenz hievon Meldung erstatten.')
Rb. Nr. 56. ') Das in diesem Telegramm berichtete Gespräch
diente der Dreiverbandsdiplomatie als Grundlage für die immer wieder-
kehrende Behauptung, Oesterreich-Ungarn habe sich trotz der russi-
schen Mobilmachung zu direkten Verhandlungen über die Note an
Serbien und zu ÄAbänderungen dieser Note bereit erklärt. Wie hin-
fällig solche aus diesem Gespräch gezogenen Schlüsse sind, geht aus
dem ausdrücklichen Vorbehalt des Grafen Szäpärp hervor, der erklärt,
seine Mitteilungen seien auf Grund von vor der Mobilmachung er-
folgten Instruktionen abgefasst und können jetzt hinfällig sein, und
aus der wichtigen Bemerkung, dass eine Besprechung über die Note
nur ihrer Interpretation gelten solle. Völlig vernachlässigt wurde
dagegen von der Dreiverbandsdiplomatie der wichtige Umstand, dass
Sasonow sich dieser Eröffnung gegenüber ablehnend verhielt und auf
die Londoner Verhandlungen zurückkam. Ueber dieses Gespräch gibt
ausserdem noch ein Telegramm Sasonows an die russische Botschaft in
London Aufschluss, das auch den Botschaftern der anderen Grossmächte
zugestellt wurde. Dieses Telegramm spricht von der Bereitwilligkeit der
österreichisch-ungarischen Regierung, « den Inhalt ihres an Serbien ge-
sandten Ultimatums zu diskutieren». Es befindet sich nicht im Ob.,
ist aber, da der russische Botschaftsrat in London, Herr von Eitter,
es Grep überreichte unter Nr. 133 im Blb. enthalten. Zu bemerken ist,
dass hier die Berner Uebersetzung ganz im Sinne der vom Dreiver-
bande diesem Gespräche gegebenen Interpretation den englischen Text
Sasonow will
von direkten
Verhandlun-
gen nichts
mehr wissen
und kommt
aufdas Projekt
einer Londo-
ner Konferenz
zurück.