344 2. August
dieses Versprechen Frankreich die Sicherheit gewähren,
welche es ihm gestattete, über seine eigene Mittelmeerflotte
Verfügungen zu erlassen. ‘)
Herr Cambon befragte uns dann über die Neutralitäts-
verletzung Luxemburgs. Ich teilte ihm den in dieser Beziehung
von Lord Derby und Lord Clarendon im Jahre 1867 nieder-
gelegten Grundsatz mit. Er fragte mich, was wir über die Neu-
tralitätsverletzung Belgiens sagen würden. Das sei, erwiderte
ich, eine viel wichtigere Angelegenheit als die vorhergehende;
wir seien eben damit beschäftigt, die diesbezügliche Erklärung
zu erwägen, welche wir morgen dem Parlamente unterbreiten
würden, nämlich ob wir die Neutralitätsverletzung Belgiens als
casus belli erklären sollten.?) Ich berichtete ihm dann noch, was
dem deutschen Botschafter hierüber gesagt worden war. °)
Blb. Nr. 148. ') Damit trat England in den Krieg ein. Indem es Frank-
reich formell die Unterstützung seiner Flotte zusagte, gab England seine
Neutralität auf und erklärt sich bereit, an der Seite Russlands und
Frankreichs zu kämpfen, ohne dass von deutscher Seite irgend ein
feindlicher Akt gegen England begangen worden wäre, ohne dass es
noch über irgend einen offiziellen Kriegsgrund verfügte. Was nach
allen vorhergehenden Dokumenten, vornehmlich dem Stück Bib. 123
und den Telegrammen Lichnowskys vom 1. August, nicht mehr zwei-
felhaft war, erhält hier seine volle einwandfreie Bestätigung: England
trat in den Krieg mit Deutschland ein, unabhängig von der Frage der
belgischen Neutralität, die in diesem Augenblick noch nicht gefährdet
war. In der bereits S. 318 erwähnten, in der « Nationaltidende » ver-
öffentlichten Antwort von Jagows auf Erklärungen des englischen Unter-
staatssekretärs Acland, fand der deutsche Staatssekretär am Auswär-
tigen Amt u. a. folgende unanfechtbaren Worte über diesen Sachver-
halt: « Unterstaatssekretär Acland behauptet, das Eingreifen Englands
in den Krieg sei darauf zurückzuführen, dass Deutschland die Neu-
tralität Belgiens verletzt habe. Ich kann nicht annehmen, dass diesem
hohen Beamten des Foreign Office unbekannt sein sollte, dass Sir
Edward Grep in seiner Rede im englischen Unterhause am 3. August
erklärt hat, er habe dem französischen Botschafter bereits am Nach-
mittag des vorhergehenden Tages, also am 2. August, die voll-
ste Unterstützung der englischen Flotte für den Fall
zugesichert, dass die deutsche Flotte gegen die fran-
zösische Küste oder die französische Schiffahrt vor-
gehe. Erst in der Nacht vom 3. auf den 4. August aber erfolgte die
Verletzung der belgischen Neutralität durch deutsche Truppen. Eben-
sowenig kann der Unterstaatssekretär vergessen haben, dass Sir Ed-
ward Grep in seiner Unterredung mit dem Fürsten Lichnowskp am
1. August es ausdrücklich abgelehnt hat, Deutschland die Neutralität
Englands für den Fall zuzusichern, dass Deutschland die Neutralität
Belgiens respektiere. Es handelt sich daher um einen, nicht einmal
besonders geschickten, erneuten Versuch, die Welt über die Motive
irrezuführen, die der englischen Beteiligung am Kriege zugrunde liegen».
Siehe auch Anmerkung 2 zu Grb. Nr. 20.
?) Hier wird also die Frage aufgeworfen, ob die eventuelle Ver-
letzung der belgischen Neutralität überhaupt als Kriegsanlass gelten soll.
°) Ueber dieses Gespräch und die wichtige Mitteilung Grepys
berichtet Paul Cambon, Gib. 137.