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wachsenen, nicht nachträglich im Londoner Auswärtigen Amt
zur Stimmungmache hergestellten Dokumente wird nun leicht
dartun, welch geringer Wert diesem nur derenglischen Agitation
dienenden Berichte innewohnt. Aus den zahlreichen Akten,
die ihm widersprechen, zu deren Verschleierung er ja gerade
dienen soll, sei hier nur das unserer Ansicht nach wichtigste
Stück des gesamten Blaubuches erwähnt, das Stück 123,
ein Telegramm Sir Edward Greys, datiert vom 1. August
London, in dem berichtet wird, dass Fürst Lichnowsky, der
deutsche Botschafter, in London angefragt habe, ob Eng-
land neutral bleiben würde, wenn Deutschland im Falle eines
Sieges über Frankreich auf jede Annexion, sogar Kolonial-
annexion verzichte und ausserdem auch die belgische
Neutralität achte. Grep lehnte es nach seinem eigenen Be-
richt ab, irgendwelche Bedingungen zu besprechen, unter
denen England neutral bleiben würde. Aus diesem wichtigen
Telegramm, das durch die deutschen Akten bestätigt und
wesentlich ergänzt wird, ist ersichtlich, dass noch am 1. Au-
gust das Schicksal Belgiens, vielleicht Frankreichs und der
ganzen Welt in Englands Händen ruhte. Die deutsche Po-
litik und der Stand der deutsch-englischen Verhandlungen
erscheinen hier, wie in den meisten anderen Akten des
Blaubuches, also in einem ganz anderen Lichte als in der
künstlichen Darstellung des in London angefertigten Be-
richtes. Die englische Regierung hat daher auch ihr Mög-
lichstes getan, um dieses Telegramm in Vergessenheit zu
bringen. Es wurde in den grossen Parlamentsreden und in
den das Blaubuch einleitenden Darstellungen vollständig
verschwiegen, während ein früheres Telegramm, Nr. 85, in
dem Deutschland in seinen Angeboten noch nicht so weit
ging wie im Stück 123, immer wieder zur Belastung der
deutschen und zur Rechtfertigung der englischen Politik an-
geführt wird.
Der zweite in London hergestellte Bericht, der des
englischen Botschafters in Wien, Sir Maurice de Bunsen,
fällt genau so aus dem Rahmen der organisch aus der
Krisis erwachsenen Akten, wie der Goschensche Bericht.
Er trägt das Datum des 1. September und bietet eine zu-