21. Juli 79
Es sei mir erspart, hiefür Beweise und Beispiele er-
bringen zu müssen, sie sind überall und immer in den Kreisen
der politisohen Gesellschaft wie unter dem niederen Volke, in
allen Parteien billig zu haben! Ich stelle es als bekanntes
Axiom hin, dass die Politik Serbiens auf die Abtrennung der
von Südslawen bewohnten Gebiete und in weiterer Folge auf
die Vernichtung der Monarchie als Grossmacht aufgebaut ist
und nur dieses eine Ziel kennt.
Niemand, der auch nur acht Tage in dem hiesigen poli-
tischen Milieu zu leben und zu wirken bemüssigi ist, wird
sich dieser Wahrheit verschliessen.
Infolge der jüngsten Ereignisse, welche die hiesigen poli-
tischen Stimmungen beeinflussen, und dazu rechne ich das
Attentat in Serajewo, den Tod Hartwigs und die Wahl-
kampagne, hat sich der Hass gegen die Monarchie noch ver-
tieft.
Das Attentat in Seraiewo hat den Serben den bevor-
stehenden Zerfall der habsburgischen Staaten — auf welchen
man schon früher seine Hoffnungen setzte — als in kürzester
Zeit zu erwarten, den Abfall der von Südslawen bewohnten
Gebiete der Monarchie, die Revolution in Bosnien-Herzegowina
und die Unverlässlichkeit der slawischen Regimenter — als
feststehende Tatsachen vorgegaukelt und brachte System und
scheinbare Berechtigung in ihren nationalistischen Wahnsinn.)
Das so verhasste Oesterreich-Ungarn erscheint den Ser-
ben nunmehr ohnmächtig und kaum mehr würdig, einen Krieg
mit ihm zu führen — zum Hasse gesellt sich die Verachtung —
es fällt ohne Mühe als zermürbter Körper in den Schoss des
in naher Zukunft zu verwirklichenden grosserbischen Reiches.
Blätter, welche nicht zu den allerextremsten gehören, be-
sprechen in täglichen Artikeln die Ohnmacht und den Zerfall der
Nachbarmonarchie und beschimpfen sie ohne Scheu und Furcht
vor Ahndung ihrer Organe. Sie machen selbst vor der erhabenen
Person unseres Herrschers nicht Halt. Sogar das Regierungs-
organ weist auf die Zustände in Oesterreich-Ungarn als auf
die einzigen Ursachen des fluchwürdigen Verbrechens hin. Die
Furcht vor Verantwortung besteht nicht mehr. Das serbische
Volk wird seit Jahrzehnten durch die Presse erzogen und die
jeweilige Erziehung hängt von der Parteipresse ab; die Frucht
dieser Erziehung ist die grosserbische Propaganda und ihre
abscheuliche Ausgeburt, das Attentat vom 28. Juni.
Ich übergehe die an Wahnwitz streifenden, von der
« Times » als « tobsüchtig » bezeichneten Anklagen und Ver-
Rb. Nr. 6. !) Dass nicht nur Serbien, sondern auch die fran-
zösische Diplomatie so dachte, beweist Gib. Nr. 18.