Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 1. (1)

zulegen. Außerdem ist dem Gesuche ein von der obrigkeitlichen 
Behörde der Partei ausgestelltes Zeugnis beizufügen, in welchem 
unter Angabe des Standes oder Gewerbes, der Vermögens- 
und Familienverhältnisse der Partei sowie des Betrags der von 
dieser zu entrichtenden direkten Staatssteuern das Unvermögen 
zur Bestreitung der Prozeßkosten ausdrücklich bezeugt wird. 
In Leipzig werden diese sog. Armutszeugnisse vom Armen- 
amte (Stadthaus) ausgestellt; wenn die Ausstellung beantragt 
wird, ist stets der letzte Steuerzettel oder eine Bescheinigung 
des Steueramts darüber vorzulegen, daß der Nachsuchende 
Steuern nicht entrichtet. 
Bei Erteilung des Armutszeugnisses hat die Verwaltungs- 
behörde lediglich zu prüfen, ob der Antragsteller imstande ist, 
ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwen- 
digen Interhalts die Prozeßkosten zu bestreiten. Das wird oft 
von der Höhe des Streitgegenstandes und insbesondere davon 
abhängen, ob die Partei eines Rechtsanwalts bedarf. Es ist 
auch zu beachten, daß die Partei, die sich um das Armenrecht 
bewirbt, keinen Anspruch auf standesgemäße Lebensweise hat; 
es sollen ihr nur die zum Unterhalte notwendigen Vermögens- 
stücke erhalten werden. Dabei ist freilich nicht so sehr die An- 
zulänglichkeit des Bermögens überhaupt, als vielmehr das Ver- 
hältnis maßgebend, in dem der Ertrag des Vermögens oder 
der Arbeit zu den Lebensbedürfnissen des Nachsuchenden und 
seiner Familie steht. Insbesondere darf das Armutszeugnis 
verlangt werden, wenn das Vermögen nicht greifbar ist oder 
nicht flüssig gemacht werden kann, oder wenn durch die Kosten- 
zahlung aus dem Vermögen der Anterhalt des Nachsuchenden 
oder seiner Familie gefährdet wird. 
Die Verwaltungsbehörde hat nur die Erwerbs., Vermögens- 
und Familienverhältnisse des Nachsuchenden festzustellen, aber 
nicht zu prüfen, ob er würdig oder im Recht oder Unrecht ist. 
Der Ehemann ist verpflichtet, regelmäßig auch die Kosten 
der von seiner Frau geführten Prozesse zu tragen und ihr die 
nötigen Mittel vorzuschießen. Das gilt auch für Prozesse, die 
die Frau gegen den Mann selbst führt, also insbesondere für 
Ehescheidungs- und Anterhaltsklagen. Deshalb ist, wenn eine 
Ehefrau für einen von ihr zu führenden Rechtsstreit ein Armuts- 
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