Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 1. (1)

72 Hermann Schumacher 
sogar von 10,2 Millionen auf 17,7 Millionen herabgegangen, während 
gleichzeitig die Industrie eine Steigerung von 16 Millionen auf 26,4 Millionen 
und Handel und Derkehr eine solche von q,5 Millionen auf 8,5 Millionen 
aufgewiesen haben. 1882 bis 19007 haben von einer Bevölkerungszunahme 
von 16 Millionen Menschen nicht weniger als 14 Millionen Aufnahme in 
Handel und Industrie gefunden. Iach der letzten Berufs= und Gewerbe- 
zählung von 1002 hat Deutschland unter allen Dölkern der Erde die größte 
Sahl industrieller Erwerbstätiger. Sie beläuft sich auf 11,2 Millionen gegen 
8,4 Millionen in England (loo7), 7 Millionen in den Dereinigten Staaten 
(lodo) und é6,0 Millionen in Frankreich (1901), und sie übertrifft die Giffer 
von 1882 um rund 5 Millionen, so daß sie in 25 Jahren nicht viel weniger 
als eine Derdoppelung aufgewiesen hat. Eine gewaltig anwachsende Sahl 
von Konsumenten steht so einer sich mindernden landwirtschaftlichen Be- 
völkerung gegenüber. Wie wird dieser außerordentlich angeschwollene 
Mahrungsmittelbedarf unseres immer mehr außerhalb der Landwirtschaft 
tätigen Dolkes gedecktd Schon im Frieden verdient diese Frage die ernsteste 
und angestrengteste Beachtung, und im Kriege übertrifft sie alle andern 
Wirtschaftsfragen an Bedeutung. Sie ist eine Existenzfrage unseres Dolkes. 
SZum Glück können wir auf sie antworten, daß eigene Kraft und Staatsbilfe 
unsere Landwirtschaft in den Stand gesetzt haben, den Hauptteil unseres 
Dolksbedarfs selbst zu decken. Im Ackerbau wie in der Diehzucht hat sie 
ihren Ertrag bewundernswert zu steigern verstanden. Aber so Großes sie 
auch geleistet hat, ihre Kraft reicht doch nicht aus. In Friedenszeiten haben 
wir eine Einfuhr von Tahrungs= und Genußmitteln, die einen Wert von 
mehr als 5000 Millionen Mark im Jahre erreicht. Im heutigen Kriege 
ist diese Einfuhr zum weit überwiegenden Teile fortgefallen. Das ist das 
wirtschaftliche Hauptproblem unseres großen Krieges. 
A. Die volksversorgung durch unsern einbeimischen 
Ackerbau. 
1. Unsere einheimische Landwirtschaft deckt den größten Teil des seit 
dem Kriege von 1870/71 kbinzugewachsenen Wahrungsbedarfs unseres 
Volkes, obwohl sie nicht nur nicht mit vermehrten Arbeitskräften, sondern 
auch nicht mit erweiterter Bodenfläche arbeitet. Jedenfalls hat seit der 
ersten Aufnahme über die landwirtschaftliche Zodenbenutzung vom Jahre 
1878 die landwirtschaftlich benutzte Fläche des Deutschen Reichs sich nur 
so unbedeutend vergrößert, daß das nicht irgendwie nennenswert in Be- 
tracht kommt. Genau drei Oiertel der landwirtschaftlich benutzten Fläche 
und fast einhalb des ganzen Reichsgebiets macht der wertvollste Teil, das 
Acker= und Gartenland, aus. Es hat sich von 26 065 000 ha im Jahre 1878 
auf 26 257 d00 ha im Jahre 1000 ausgedehnt und wird nach der neuen 
Bodenbenutzungsaufnahme vom Jahre lols, deren Ergebnisse noch nicht 
zugängig sind, wahrscheinlich eine entsprechende weitere kleine Steigerung 
zu verzeichnen haben. Aber wenn auch die Gesamtzunahme nur sehr un-
	        
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