Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

Die Ministerverantwortlichkeit in Sachsen. 9 
Dem Präsidenten steht, außer in den 88. 146. und 153. der Verfassungs- 
urkunde bemerkten Fällen, keine Stimme zu. 
Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die für den Angeklagten günstige 
Meinung. 
Die Akten des Staatsgerichtshofes werden durch den Druck bekannt gemacht. 
Das „letzte“ Mitglied ist ein etwas unbestimmt gefaßter Ausdruck. Die Motive 
und Landtagsverhandlungen geben darüber keinen Aufschluß. Jedenfalls ist das 
„zuletzt gewählte“ Mitglied gemeint. Wie aber, wenn mehrere zuletzt zu gleicher 
Zeit gewählt werden? 
S. 8. 
Das Strafbefugniß des Staatsgerichtshofes erstreckt sich nur auf ausdrückliche 
Mißbilligung des Verfahrens oder Entfernung vom Amte. Wenn selbiger die in 
seiner Competenz liegende Strafe erkannt hat, ohne eine weitere ausdrücklich aus- 
zuschließen, so bleibt nicht nur dem ordentlichen Richter vorbehalten, gegen den 
Verurtheilten ein weiteres Verfahren von Amtswegen eintreten zu lassen,) son- 
dern der Staatsgerichtshof hat auch diesem Richter von dem Ausgange der ver- 
handelten Anklage Nachricht zu geben. 
Im Entwurfe der Verfassungsurkunde §. 141. war das Strafbefugniß des 
Staatsgerichtshofes auch auf die Suspension der Minister ausgedehnt. Die 
Stände fanden aber diese Strafe mit den Verhältnissen eines in Anklagestand 
versetzten Ministers nicht füglich vereinbar und brachten das Wort in Wegfall. 
Ständische Schrift vom 19. Juli 1831, Landtagsakten v. J. 1831 B. IV. 
S. 1809. 
Zöpfl in seinen Grundsätzen des gemeinen deutschen Staatsrechts II. Thl. 
§. 409. Not. 16 S. 434. findet es unpassend, das Befugniß des Staatsgerichts- 
hofes, Mißbilligung auszusprechen und den Minister vom Amte zu entfernen, als 
Strafbefugniß zu bezeichnen, da es sich nach der Bedeutung, welche die Ver- 
fassungsurkunde der ständischen Anklage beigelegt habe, offenbar nicht um eine 
Strafe handle. Die Gesetze von Braunschweig und Hannover hätten diesen 
Ausdruck vermieden. Da man indessen in der Mißbilligung und der Remotion 
vom Amte allerdings ein Uebel erblicken kann, das dem Minister für die Gesetzes- 
verletzung zugefügt wird, so finden wir den Ausdruck Strafe, in einem weiteren 
Sinne des Wortes genommen, nicht gerade incorrect, wenn auch die ordentlichen 
Gerichte noch besondere Untersuchung einleiten und Strafe verhängen können. 
Allerdings drücken sich die Motive zum Gesetz vom 3. Februar 1838, das Ver- 
fahren in der an den Staatsgerichtshof gelangenden Sachen betr., dahin aus, der 
Zweck der Anklage sei nicht die Zufügung eines Strafübels, das nach Befinden 
vielmehr dem ordentlichen Richter vorzubehalten sei (s. 148. der Verfassungs- 
  
*) Diese Bestimmung findet sich fast in allen Verfassungsurkunden, z. B. der Württem- 
bergschen, Badischen, Braunschweigschen, Bayerschen, Hannoverschen, Sachsen= Coburg- 
Gothaischen.
	        
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