Die Ministerverantwortlichkeit in Sachsen. 11
von dem Oberhause, auf eine Anklage des Unterhauses hin, zum Tode verurtheilt.
Der König zögerte lange mit der Unterzeichnung des Urtheils und wollte von
seinem Begnadigungsrechte Gebrauch · machen. Er selbst starb einige Jahre nach-
her auf dem Blutgerüste. Vergl. hierüber noch Dr. Samuely, das Prinzip
der Ministerverantwortlichkeit, Berlin 1869, §. 13. S. 119 ff. Zachariä, Vierzig
Bücher vom Staate, III. B. S. 270 im 3. Hauptst.
Noch ist bezüglich der Beschränkung des Begnadigungerechtes im Falle der
Verurtheilung eines Ministers im Königreich Sachsen zu bemerken, daß in dem
bezüglichen 8. 150. der Verfassungsurkunde jedenfalls nur aus einem Redaktions-
versehen anstatt „Vorstand eines Ministerii oder Ministerialvorstand“ das Wort
„Staatsdiener“ gebraucht ist. Dieser Begriff würde annehmen lassen, als könn-
ten vom Staatsgerichtshofe auch andere Staatsdiener als Minister verklagt werden.
Dem ist aber nicht so. Das Versehen ist jedenfalls dadurch entstanden, daß nach
dem §. 133. und 134. des Entwurfs der Verfassungsurkunde (Vergl. Landtags-
akten v. J. 1830, 3. Band S. 1403, 1405) dem Staatsgerichtshof ein erweitertes
Befugniß eingeräumt war, indem das Anklagerecht auf die Minister und Vor-
stände der obersten Staatsbehörden oder deren Stellvertreter ausgedehnt und
dieselben in S. 134. mit dem allgemeinen Begriffe Staatsdiener zusammengefaßt
worden. Dieses Wort ist nun im §. 143. des Entwurfes der Verfassungsurkunde
folgerecht wieder gebraucht, in dem entsprechenden §. 150. der wirklichen Ver-
fassungsurkunde aber aus Irrthum stehen gelassen worden; es paßt nicht mehr,
weil nach §. 141. der wirkl. Verfassungsurkunde nur die Vorstände der Ministerien
beim Staatsgerichtshofe belangt werden können.
Wo die Verfassung keine ausdrücklichen Beschränkungen des Landesherrlichen
Begnadigungs= und Abolitionsrechtes aufgestellt, muß dasselbe dem Fürsten auch
hinsichtlich der verurtheilten Minister als unbeschränkt zuständig erachtet werden.
Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechtes, 2. Theil §. 410.
sub V. S. 439.
Noch verdient bemerkt zu werden, daß nach dem Entwurfe der Verfassung
§. 138. vor dem Staatsgerichtshofe von der Regierung auch gegen einzelne Mit-
glieder der Stände Anklage erhoben werden konnte, was aber bei der Berathung
des Entwurfs in Wegfall gekommen.
S. 11.
Die Resignation des Angeklagten hat auf das gegen ihn eingeleitete Ver-
fahren und den Urtheilsspruch keinen Einfluß. Diese Bestimmung ist auf aus-
drücklichen Wunsch der Stände
Vergl. ständische Schrift v. 19. Juli 1831, Landtagsakten v. J. 1831 IV. B.
cit. Prot. der ständischen Deputation B. I. Bl. 190. S. 1810
in die Verfassungsurkunde ausgenommen worden. Bei dieser Gelegenheit wurde
auch die Frage wegen Verjährung des Anklagerechtes aufgeworfen und in Vor-
schlag gebracht, dieselbe solle eintreten, wenn seit der in Frage stehenden Hand-
lung zwei Ständeversammlungen abgehalten worden, ohne daß eine Anklage erhoben