Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

Die Ministerverantwortlichkeit in Sachsen. 21 
Im Fall der Auflösung der 2. Kammer während des Prozesses, wird letzterer 
nicht sistirt und die Wirksamkeit des Anwaltes und dessen Stellvertreters dauert 
fort (S. 42. des Gesetzes). 
Im Entwurfe des Gesetzes §. 41. finden sich anstatt dieser Bestimmung 
folgende Worte: 
„Im Fall der Auflösung der 2. Kammer, während des Laufes des Prozesses 
wird der Letztere einstweilen sistirt. 
Die nächste Ständeversammlung ist befugt, binnen 8 Wochen, von Eröffnung 
des Landtages an gerechnet, auf die Fortstellung der Sache anzutragen. Erfolgt 
eine solche Erklärung nicht, so wird angenommen, daß die Anklage zurückgenom- 
men sei.“ 
Die Stände fanden diese Bestimmung unannehmbar und motivirten ihren 
Beschluß folgendermaßen: Aus der klaren unzweideutigen Bestimmung § 150. 
der Verfassungsurkunde, der König werde die Untersuchung niemals hemmen, er- 
gebe sich, daß, da die Auflösung der zweiten Kammer anders nicht geschehen 
könne, als durch eine Handlung des Königs, diese Handlung nie die Folge haben 
dürfe, daß der Fortgang der Klage dadurch gehemmt werde. Es könne auch 
nicht gesagt werden, daß nach erfolgter Auflösung der zweiten Kammer kein An- 
kläger mehr vorhanden sei, da eines Theils die erste Kammer bei Auflösung der 
zweiten, obwohl vertagt, fortbestehe, andern Theils nach §. 107. der Verfassungs- 
urkunde ein ständischer Ausschuß für Verwaltung der Staatsschuldenkasse fort- 
bestehe, obwohl die zweite Kammer aufgelöst sei. Insonderheit aber sei zu er- 
wägen, daß die von der Staatsregierung vorgeschlagene Bestimmung das ver- 
fassungsmäßige Recht der Stände auf Anklage der Ministerialvorstände in der 
Wirklichkeit sehr gefährden, wo nicht völlig vereiteln würde. Dies werde ein 
leuchtend, wenn man berücksichtige, daß die neue Ständeversammlung nach §. 80. 
der Verfassungsurkunde die von dem Könige an sie gebrachten Gegenstände vor 
allen übrigen in Betracht zu ziehen habe und daß über diese Beschäftigung die 
gesetzte Frist von acht Wochen unbenützt verstreichen könnte, vorzüglich aber, wenn 
man berücksichtige, daß die neue Ständeversammlung ebenfalls wieder aufgelöst 
werden könnte. Uebrigens kann der gewählte Anwalt die Sache der Stände 
selbstständig fortführen. Auch liege es im Interresse des Angeklagten, daß die 
Anklage zur Erledigung gebracht werde und der Angeklagte, wenn er unschuldig sei, 
als solcher aus dem Prozesse ehebaldigst hervorgehe. Wenn eine zweite Kammer 
wieder einberufen werde und sie die Wiederaufnahme eines Prozesses unterlasse, 
so werde der Angeklagte dann immer nur im zweifelhaften Lichte erscheinen, ja 
es ständen ihm gar nicht einmal ausreichende Mittel zu Gebote, um seine Un- 
schuld an den Tag zu bringen, der Staatsverwaltung und dem Staatswohle 
könne es nur Nachtheile bringen, wenn Vorstände der Ministerien durch Anklagen 
verdächtigt worden seien und diesen Verdacht nicht ablehnen könnten, weil ihnen 
dafür der gesetzlich bestimmte Rechtsweg verschlossen sei. · ·" 
§.39-. 
b.VerfahrenbeimStaatsgerichtghofinFolgederVorschrift-»derVerfassungs-
	        
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