Die Ministerverantwortlichkeit in Preußen. 31
lichem Ermessen eine der zu den gesetzlichen Strafarten gehörende Strafe mit
Ausschließung von Geldbuße verhängt; auf Zuchthausstrafe oder eine härtere
Strafe darf nicht erkannt und als Freiheitsstrafe nur Einschließung verhängt
werden. « .
Im zweiten Abschnitte des Entwurfs ist von dem Verfahren in den Häusern
des Landtags bei Anklagen gegen die Minister die Rede. «
Es wird zuerst die Dauer der Verfolgung begrenzt.
Der Antrag auf Anklage eines Ministers muß schriftlich eingebracht werden
und in dem Herrenhause wenigstens von 25, in dem Hause der Abgeordneten
wenigstens von 50 Mitgliedern unterzeichnet sein.
Der Antrag wird berathen und entweder zur Tagesordnung darüber ge—
schritten oder derselbe an einen Ausschuß verwiesen.
Dieser besteht im Herrenhause aus wenigstens 5, in dem Hause der Abge—
ordneten aus wenigstens 9 Mitgliedern. Dem Ausschusse liegt die Ermittelung
des Sachbestandes und die Beweisaufnahme ob, er kann Zeugen und Sachver—
ständige abhören, Akten und Urkunden sich von der Staatsregierung erbitten 2c.
Binnen 30 Tagen, einer Frist, die auf Ansuchen verlängert werden kann, hat der
Ausschuß Bericht zu erstatten. Wird der Bericht innerhalb dieser Frist nicht er-
stattet, so ist der Ausschuß kraft des Gesetzes aufgelöst, ist innerhalb 30 Tagen
nach dieser Auflösung kein neuer Ausschuß ernannt, so wird der Antrag auf
Anklage, als von dem Hause verworfen erachtet. Der Bericht wird dem Minister
zugefertigt und ein Sitzungstag zur Verhandlung bestimmt. Derselbe wird dabei
auf sein Verlangen gehört und hat das letzte Wort.
Wird die Verwerfung der ganzen Anklage von dem Ausschusse oder von
einem Mitgliede des Hauses in Antrag gebracht, so wird hierüber zuerst abge-
ftimmt.
Wird ein solcher Antrag nicht gestellt oder verworfen, so soll in ferneren
Abstimmungen durch absolute Stimmenmehrheit festgesetzt werden, welche den
verschiedenen, in dem Bericht oder in dem Antrag auf Anklage in Vorschlag ge-
brachten Anklagepunkte Gegenstand der Anklage werden sollen. Der Antrag auf
Tagesordnung ist dabei nicht zulässig. Die Beschlußfassung darf nicht auf unbe-
stimmte Zeit, oder auf länger als dreimal 24 Stunden nach dem Schluß der
Verhandlung ausgesetzt worden. Ist diese Frist ohne Beschluß abgelaufen, so
wird der Antrag auf Anklage als von dem Hause verworfen erachtet.
Beschließt das Haus die Erhebung der Anklage, so wählt es in einer Plenar=
sitzung durch absolute Stimmenmehrheit fünf seiner Mitglieder zu Kommissa-
rien, um die Anklageschrift abzufassen und die Anklage zu verfolgen. Die An-
klageschrist wird dem Hause zur Genehmigung oder Verwerfung im Ganzen mit-
getheilt und darüber ohne Debatte Beschluß gefaßt.
Der Beschluß des Hauses und die von demselben genehmigte Anklageschrift
wird nebst den Akten des Ausschusses dem ersten Präsidenten des Obertribunals
übersandt. Das Haus kann, so lange die mündliche Hauptverhandlung vor dem
Obertribunal nicht geschlossen ist, zu jeder Zeit die Anklage zurücknehmen.