Die Ministerverantwortlichkeit in Baden. 33
Urtheilssprechung betreffen, kommen, insoweit das Gesetz nichts anderes bestimmt,
auch bei dem Obertribunal zur Anwendung.
Eine Ausfertigung des Urtheils wird dem Könige, dem Hause, welches die
Anklage erhoben hat, und dem Staatsministerium überreicht.
Die Bestimmungen des Gesetzes stehen einer Verfolgung von dem ordent-
lichen Gerichte wegen derjenigen Handlungen, welche auch durch die gemeinen
Strafgesetze vorgesehen sind, nicht entgegen. Das Gericht, bei welchem die Sache
anhängig ist, muß jedoch, sobald dieselbe durch das Obertribunal abberufen wird,
sein Verfahren einstellen und die Akten an den Gerichtshof einsenden.
Die Abberufung ist bis zum Schlusse der Hauptverhandlung zulässig.
Dieser, seinem Inhalte nach vorstehend mitgetheilte, von dem Hause der
Abgeordneten genehmigte Gesetzentwurf ist aber zurückgelegt und nicht zum wirk-
lichen Gesetz erhoben worden.
In der Allgemeinen Deutschen Strafrechtszeitung von Dr. von Holtzen=
dorff 3. Jahrgang 1863 S. 551 ff. ist eine Kritik des Entwurfes anzutreffen,
in welcher, unter Hervorhebung der Mängel desselben, S. 601 ff. ein Gegen-
entwurf sich ausgearbeitet findet, der die vorgeschlagenen Abänderungen und
Verbesserungen enthält.
Ob bei der jetzt bestehenden Gesetzgebung im Königreich Preußen eine Mi-
nisteranklage rechtlich möglich ist oder nicht, wird für zweifelhaft erachtet.
Rönne in seinem Staatsrecht (s. 188.) verneint, Koch in seinem Com-
mentar zum Landrecht bejaht die Frage. Vorgekommen in der Praxis ist sie
unseres Wissens noch nicht.
Uebrigens besitzt Preußen einen Gerichtshof, welcher zwar nicht durch das
Gesetz, aber durch den Sprachgebrauch als Staatsgerichtshof bezeichnet ist. Ein
Gesetz vom 25. April 1853 nämlich weist die Untersuchung und Entscheidung
wegen der in dem ersten Titel des II. Theils („Hochverrath“) und in ss. 74.
76. 78. des Preußischen Strafgesetzbuches (thätliche Majestätsbeleidigung) vor-
gesehenen Verbrechen, mit Einschluß des Versuchs und der Theilnahme, für den
ganzen Umfang der Monarchie dem Kammergericht in Berlin (Gericht II. In-
stanz) zu.
Das Verfahren in diesen Fällen ist gesetzlich geregelt.
S. 49.
Großherzogthum Baden.
Im Großherzogthum Baden sind die Verhältnisse rücksichtlich der Minister-
verantwortlichkeit in folgender Weise geordnet.
S. 7. der Verfassungsurkunde vom 22. August 1818 macht die Minister und
sämmtliche Staatsdiener für die genaue Befolgung der Verfassung verantwortlich.
Ein besonderes im §. 67. der Verfassungsurkunde in Aussicht gestelltes Gesetz,
das am 5. Oktober 1820 bekannt gemacht wurde, handelt über die Anklage der
Minister und Mitglieder der obersten Staatsbehörden. Die in demselben ent-
Beschorner, Ministerverantwortlichkeit. 3