Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

36 Die Ministerverantwortlichkeit in Baden. 
legialgerichten durch das Loos bezeichnet und der Ersten Kammer beigeordnet 
werden. 
Dem Angeklagten und den Vertretern der Anklage steht ein Ablehnungs- 
recht zu. 
Der Präsident der Ersten Kammer hat den Vorsitz. Sein Stellvertreter ist 
der Präsident des obersten Gerichtshofes. 
Das Nähere über die Bildung des Staatsgerichtshofes, sowie das Verfahren 
bei demselben ist durch ein späteres Gesetz, das Verfahren bei Ministeranklagen 
betreffend, vom 11. Dezember 1869, dessen Inhalt weiter unten mitgetheilt wer- 
den soll, bestimmt. Wird ein Minister oder ein Mitglied der obersten Staats- 
behörde beschuldigt, zugleich mit den oben erwähnten Verletzungen, oder auch 
ohne eine solche, ein Staatsverbrechen oder ein gemeines Verbrechen durch Miß- 
brauch seines Amtes begangen zu haben, so ist die Zweite Kammer befugt, zu 
beantragen, daß der Staatsgerichtshof den Beschuldigten wegen dieses Vergehens 
vor das zuständige ordentliche Strafgericht zur Aburtheilung verweise. 
Dieser Antrag ist in den oben vorgeschriebenen Formen zu beschließen und 
mit der Anklage, wo eine solche stattfindet, zu verbinden, andernfalls aber selbst- 
ständig bei dem Staatsgerichtshof zu stellen. 
Die während der Ständeversammlung von der Zweiten Kammer beschlossene 
Anklage wird auch nach der Vertagung oder dem Schlusse des Landtags von den 
erwählten Kommissaren verfolgt und die Erste Kammer gilt in Beziehung auf 
diesen Gegenstand nicht als vertagt oder geschlossen. 
Dasselbe gilt von der Auflösung der Ständeversammlung, jedoch wird die 
Schlußverhandlung und Entscheidung über die Anklage bis nach Ablauf 
der in §. 44. der Verfassungsurkunde festgesetzten Frist, drei Monate ver- 
schoben. 
Hat zur Zeit der Einberufung einer neuen Ständeversammlung der Staats- 
gerichtshof das Urtheil noch nicht gefälkt, so wird derselbe neu gebildet und die 
Zweite Kammer wählt aufs Neue die Kommissare zur Vertretung der Anklage. 
Erfolgt jetzt eine abermalige Auflösung, so bleibt die von der Zweiten 
Kammer gewählte Kommission zur Vertretung der Anklage ermächtigt und ebenso 
der Staatsgerichtshof in dem früheren Bestand. 
Das Recht der Anklage erlischt 3 Jahre von dem Zeitpunkte, wo die ver- 
letzende Handlung zur Kenntniß des Landtags gekommen ist, wenn die Zweite 
Kammer jenes Recht nicht wenigstens durch den Beschluß den Antrag auf Erhe- 
bung einer Anklage in Betracht zu ziehen, gewahrt hat. 
Die Anklage kann ferner nicht mehr erhoben werden, wenn die Mehrheit 
der Zweiten Kammer jene Handlungen gebilligt hat. 
In dem obgedachten Gesetz, das Verfahren bei Ministeranklagen betreffend, 
ist folgendes bestimmt: Die Anklage gegen die Minister wird folgendermaßen 
vorbereitet: Der Antrag auf Erhebung einer Anklage gegen Minister oder Mit- 
glieder der obersten Staatsbehörde wird in der Zweiten Kammer eingebracht. 
Derselbe muß von mindestens zehn Mitgliedern dieser Kammer unterzeichnet
	        
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