Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

42 Die Minifterverantwortlichkeit in Oesterreich. 
Bei der Verhandlung über den vom Ausschusse erstatteten Bericht kann der 
Minister erscheinen und Aufklärungen geben. 
Für die Zulässigkeit der Anklage ist ein Beschluß mit einer Mehrheit von 
zwei Dritttheilen der Stimmen erforderlich. 
Beschließt das Haus, den Minister in Anklage zu versetzen, so hat derselbe 
seine amtliche Wirksamkeit einzustellen. 
Der Anklagebeschluß ist mittelst Adresse zur Kenntniß des Kaisers zu bringen. 
Der Präsident des Hauses, welches die Anklage erhebt, hat den Anklage- 
beschluß dem Vorsitzenden des Staatsgerichtshofes mit der Aufforderung mitzu- 
theilen, die Mitglieder desselben sofort nach Wien zu berufen. 
Das die Anklage erhebende Haus des Reichsrathes kann bis zum Beginne 
der Verhandlung vor dem Staatsgerichtshofe durch eine Mehrheit von zwei 
Dritttheilen der Stimmen beschließen, von der Anklage abzustehen. 
Das Haus, von dem die Anklage ausgegangen ist, hat zur Vertretung der 
Anklage vor dem Staatsgerichtshofe drei seiner Mitglieder zu bestimmen. 
Die Verhandlung und Entscheidung über die Anklage erfolgt bei dem Staats- 
gerichtshofe. 
Der Staatsgerichtshof ist in der Art zu bilden, daß jedes der beiden Häuser 
des Reichsrathes aus den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern 
zwölf unabhängige und gesetzkundige Staatsbürger, welche jedoch keinem der 
beiden Häuser des Reichsrathes angehören dürfen, für die Dauer von sechs 
Jahren als Mitglieder des Staatsgerichtshofes wählt. Die gewählten Mitglieder 
haben den Vorsitzenden aus ihrer Mitte zu wählen. 
Wird die von einem der beiden Häuser gegen einen Minister erhobene An- 
klage an den Staatsgerichtshof geleitet, so hat derselbe aus seiner Mitte zur In- 
struirung des Prozesses einen Untersuchungsrichter zu wählen, dem alle Befugnisse 
zustehen, die im ordentlichen Strasverfahren einem Untersuchungsrichter zu- 
kommen. 
Dieser kann Zeugen und Sachverständige auch eidlich vernehmen oder die 
Vernehmung derselben durch das Gericht veranlassen. 
Beamte sind bei dieser Vernehmung der Pflicht der Amtsverschwiegenheit 
entbunden. 
Die Untersuchung ist längstens binnen sechs Monaten zu Ende zu führen. 
Erachtet der Untersuchungsrichter die Untersuchung für geschlossen, so ist 
vom Vorsitzenden des Staatsgerichtshofes der Tag der Hauptverhandlung öffent- 
lich bekannt zu geben und dem Kläger, sowie dem Angeklagten anzuzeigen. 
Jeder Angeklagte hat das Recht, sich einen oder mehrere Vertheidiger zu 
wählen. 
Dem Angeklagten — und wenn deren mehrere sind, allen gemeinschaftlich 
— sowie den Vertretern der Anklage steht das Recht zu, je sechs Mitglieder des 
Staatsgerichtshofes ohne Angabe der Gründe abzulehnen, jedoch so, daß in der 
Zahl der übrig gebliebenen Mitglieder die Zahl der von jedem Hause gewählten 
Richter die gleiche sei.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.