Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

Die Ministerverantwortlichkeit in Oesterreich. 43 
Wird dieses Recht gar nicht oder nicht vollständig ausgeübt, so ist die An- 
zahl der Richter durch Losung derart zu vermindern, daß eine Gesammtzahl von 
zwölf Richtern, und zwar die gleiche Zahl der von jedem Hause gewählten 
Richter übrig bleibt. 
Der Vorsitzende kann abgelehnt, aber nicht ausgelost werden. Im ersten 
Falle wählen die das urtheilende Gericht bildenden Richter den Vorsitzenden aus 
Ihrer Mitte. 
Die Hauptverhandlung vor dem Staatsgerichtshofe ist öffentlich und münd- 
lich. Zur Giltigkeit des Urtheils ist die ununterbrochene Anwesenheit von min- 
destens zehn Mitgliedern erforderlich. 
Die Richter urtheilen nach ihrer Ueberzeugung und sind an keine positiven 
Beweisvorschriften gebunden. » 
Der Vorsitzende hat in jedem Falle seine Stimme abzugeben. 
Die Abstimmung ist geheim und erfolgt durch Kugelung. 
Das Urtheil hat unter Angabe der Gründe auszusprechen, ob der Angeklagte 
schuldig oder nicht schuldig sei. Im ersten Falle — wozu eine Stimmenmehrheit 
von mindestens zwei Dritttheilen der Stimmen erforderlich ist — sind in dem 
Urtheile die als erwiesen angenommenen Thatsachen zu bezeichnen und deren 
Strafbarkeit zu qualificiren. 
Die Vorschriften der allgemeinen Strafprozeßordnung sind von dem Staats- 
gerichtshofe insoweit zu befolgen, als nach dem gegenwärtigen Gesetze keine Ab- 
weichung geboten ist. 
Die gesetzliche Frage der Verurtheilung eist stets die Entfernung des Ver- 
urtheilten aus dem Rathe der Krone, es kann aber nach Beschaffenheit der 
erschwerenden Umstände auch auf die Entlassung des Verurtheilten aus 
dem Staatsdienste und auf den zeitlichen Verlust der politischen Rechte erkannt 
werden. . 
Fällt dem Angeklagten auch eine im allgemeinen Strafgesetze vorgesehene 
Handlung oder Unterlassung zur Last, so hat der Staatsgerichtshof außerdem die 
Bestimmungen dieses Gesetzes auf ihn anzuwenden. 
Der Staatsgerichtshof hat auf die Verpflichtung des Verurtheilten zur Ersatz- 
leistung zu erkennen, wenn sowohl der Betrag derselben, als auch die Person, 
welcher dieselbe gebührt, mit Zuverlässigkeit bestimmt werden kann. 
Ist das nicht möglich, so kann das Urtheil die Verpflichtung zur Ersatzleistung 
aussprechen und die Feststellung des Betrages dem ordentlichen Rechtswege vor- 
behalten. 
Gegen das Urtheil des Staatsgerichshofs ist kein Rechtsmittel zulässig. 
Das Verfahren über einen zulässig befundenen Anklagebeschluß kann durch 
die Vertagung oder Schließung des Reichsrathes und selbst durch die Auflösung 
des Hauses der Abgeordneten nicht gehemmt werden. 
Die Verfolgung des Ministers vor dem Staatsgerichtshofe hört auf zulässig 
zu sein, wenn die Anklage in der auf die gesetzwidrige Handlung unmittelbar 
folgenden, und im Falle, wo diese Handlung erst mittels des Staatsrechnungs-
	        
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