Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

46 Die Ministerverantwortlichkeit in Bayern. 
Ueber die Thatfrage der Anklage haben Geschworene, über die Rechtsfrage 
rechtskundige Richter zu entscheiden. 
Im Uebrigen richtet sich die Zusammensetzung und das Verfahren des Staats- 
gerichtshofes nach den einschlägigen besonderen gesetzlichen Bestimmungen. Be- 
züglich der oben unter 1—3 enthaltenen Strafen darf der König von dem Rechte 
der Begnadigung keinen Gebrauch machen. 
Die Rehabilitirung des Verurtheilten kann nur mit Zustimmung der Stände 
des Reichs erfolgen. 
Durch das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe wird 
a) die zuständige Wirksamkeit der ordentlichen Strafgerichte, bezüglich 
der etwa konkurrirenden gemeinen oder Amtsverbrechen oder Ver- 
gehen, sowie 
b) die Verfolgung der Entschädigungsansprüche vor den bürgerlichen 
Gerichten nicht ausgeschlossen. 
B. Der Staatsgerichtshof und das Verfahren bei demselben betreffend. 
Der Staatsgerichtshof zur Aburtheilung der Anklagen, welche gegen Minister 
oder deren Stellvertreter nach Art. IX. des Gesetzes vom 4. Juni 1848, die Ver- 
antwortlichkeit der Minister betreffend, erhoben werden, ist bei dem obersten Ge- 
richtshofe aus dem Präsidenten, sechs Räthen, einem Gerichtsschreiber und 12 Ge- 
schworenen zu bilden. 
Die allgemeinen Bestimmungen des Strafprozesses, insbesondere über das 
Verfahren vor den ordentlichen Schwurgerichten finden auch auf den Staats- 
gerichtshof Anwendung, insoweit nicht durch das Gesetz vom 30. März 1850 eine 
Abänderung getroffen ist. 
Finden sich die Kammern des Landtages oder eine derselben veranlaßt, gegen 
einen Minister oder den Stellvertreter auf dem Grunde der Art. IX. und X. 
des oben bemerkten Gesetzes förmliche Anklage zu erheben, so sind die Anklage- 
punkte bestimmt zu bezeichnen und in jeder Kammer durch einen besonderen Aus- 
schuß zu prüfen. 
Zum Zwecke der Prüfung der Anklagepunkte sind die betreffenden Ausschüsse 
ermächtigt: 
1. mündliche oder schriftliche Gutachten von Sachverständigen zu erheben; 
2. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen durch den ordent- 
lichen Richter nach Maßgabe der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen 
zu veranlassen, und 
3. von den einschlägigen Staatsministerien die nöthigen auf den Gegen- 
stand der Anklage bezüglichen Erläuterungen zu verlangen. 
Nach Prüfung der Anklagepunkte und Vernehmung des betheiligten Ministers 
mit seiner schriftlichen Verantwortung haben die besonderen Ausschüsse den 
Kammern über das Ergebniß Bericht zu erstatten. 
Vereinigen sich beide Kammern über die Anklage, so bringen sie ihren Be- 
schluß an den König. 
Der König läßt den Kammerbeschluß dem Präsidenten des obersten Gerichts-
	        
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