Full text: Deutsche Staatsgrundgesetze. Heft 8.2. Die Verfassung des Großherzogthums Hessen. Vom 17. Dezember 1820.

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Rechtsverhältnisse der Standesherrn. 
  
d) 
Sind weder durch ein Testament noch durch Familien-Ver- 
träge Vormünder angeordnet, so tritt, wenn von der Bevor- 
mundung eines künftigen Familienhauptes die Rede ist, die 
Mutter, oder der nächste volljährige Agnat in das Recht 
der Vormundschaft. Sind aber in dem vorausgesetzten Falle 
Nachgeborene zu bevormunden, so bleibt die Wahl des Vor- 
munds dem großjährigen Familienhaupte überlassen. In 
beiden Fällen hat der Vormund ebenfalls alsbald um seine 
Bestätigung und Verpflichtung nachzusuchen, und seine Legiti- 
mation beizubringen. 
e) Unser Oberappellations= und Cassations-Gericht untersucht 
. 
auf eine solche Anzeige, ob der gebetenen Bestätigung kein 
erhebliches Hinderniß entgegen stehe; und wenn sich kein 
Grund zeigt, die Bestätigung zu verweigern, so wird der 
Vormund nach einer, zu diesem Ende von gedachtem Ge- 
richte zu entwerfenden Formel, welche alle Geldaufnahmen, 
Veräußerungen und Verpfändungen von Immobilien ohne 
obervormundschaftlichen Consens untersagt, eidlich verpflichtet. 
Der Vormunds-Eid kann übrigens jedesmal durch einen 
besonders dazu bevollmächtigten Stellvertreter abgelegt werden. 
Wenn die Mutter des Minderjährigen die Vormundschaft 
vermöge eines Testaments oder Hausgesetzes zu führen hat, 
so muß sie, vor der Zulassung zum Vormunds-Eid, noch 
auf eine anderweite Vermählung und auf die ihr zu Statten 
kommenden Rechtswohlthaten des weiblichen Geschlechts, nach- 
dem sie hierüber gehörig belehrt sein wird, ausvrücklich Ver- 
zicht leisten. Schreitet sie dennoch zur zweiten Ehe, so hat 
sie hiervon alsbald Anzeige zu machen, und es kann ihr 
alsdann zwar wohl die Beibehaltung der Vormundschaft 
verwilligt werden, wenn davon kein Nachtheil für die Minder- 
jährigen zu fürchten ist; jedoch ist ihr auf diesen Fall ein 
Mitvormund aus den nächsten Agnaten oder Standes- 
genossen von] Unserem Oberappellations= und Cassations- 
Gericht beizuordnen, welchem sie dann, vor ihrer weiteren 
Vermählung, über ihre bisherige Verwaltung Rechnung ab- 
zulegen hat. 
Nach geleistetem Vormundseide ertheilt Unser Oberappella- 
tions= und Cassations-Gericht die nachgesuchte Bestätigung 
in solenner Form und unter dem größeren Gerichts-Siegel. 
h) Der auf solche Art ernannte Vormund übt alsdann alle 
vormundschaftlichen Rechte sowohl in Ansehung der Personen 
als des Vermögens seiner Pflegbefohlenen aus. Bei allen
	        
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