Full text: Deutsche Staatsgrundgesetze. Heft 8.2. Die Verfassung des Großherzogthums Hessen. Vom 17. Dezember 1820.

Das Gesetz vom 18. Juli 1858. 93 
  
auf das ihm anvertraute Vermögen sich beziehenden Ver- 
fügungen handelt er im eigenen Namen, unter ausdrücklicher 
Bemerkung seiner vormundschaftlichen Eigenschaft. Er nimmt 
sämmtliche, zur Verwaltung des gedachten Vermögens angestellte 
Räthe und Beamten in seine Pflichten, läßt sich von diesen 
jährlich Rechnung ablegen, ist aber selbst, nur nach geendigter 
Vormundschaft, und zwar seinem ehemaligen Pflegbefohlenen, 
auf dessen Verlangen, zur Rechnungs-Ablegung verbunden; es 
sie denn, daß er wegen übler Verwaltung angeklagt würde. 
Findet eine solche Klage statt, oder würde Unser Ober- 
appellations= und Cassations = Gericht auf andere Weise im 
amtlichen Wege von Mängeln in der vormundschaftlichen 
Verwaltung in Kenntniß gesetzt, so hat dasselbe vorerst 
sämmtliche ihm zugekommene Anzeigen der Vormundschaft zu 
ihrer Rechtfertigung vollständig mitzutheilen, und — jedoch 
mit Vorbehalt der, für das Interesse der Minderjährigen 
etwa erforderlichen, conservatorischen Maßregeln — nur 
dann, wenn es diese Rechtfertigung unzureichend finden sollte, 
mittelst förmlichen Beschlusses eine obervormundschaftliche 
Untersuchung anzuordnen, bei welcher die Vorlage der ge- 
wöhnlichen Verwaltungs-Rechnungen, und, nach Umständen, 
förmliche Rechnungs-Ablage über die bisherige vormund- 
schaftliche Verwaltung verlangt werden kann. 
Anonyme Anzeigen und Beschwerden über Mängel in der 
vormundschaftlichen Verwaltung hat Unser Oberappellations- 
und Cassations-Gericht niemals zu berücksichtigen. 
i) Findet sich ein gegründeter Anstand bei der Bestätigung des 
testamentarischen oder vertragsmäßigen Vormunds, weil dieser 
in irgend einer Hinsicht offenbar unfähig ist, die Vormund- 
schaft zu führen, oder wenigstens sie allein zu bestreiten, so 
hat Unser Oberappellations= und Cassations-Gericht entweder 
einen andern Vormund aus der Klasse der Standes-Genossen 
zu ernennen, oder, nach Befinden, dem ernannten einen Mit- 
vormund aus derselben Klasse beizuordnen. 
k) Eben dieses ist der Fall bei der tutela legitima, wenn dem 
zur Vormundschaft berechtigten Agnaten erhebliche Ausstellun- 
gen entgegenstehen. 
) In dergleichen Fällen hat übrigens Unser Oberappellations- 
und Cassations-Gericht, bei der Anstellung eines neuen oder 
Mitvormunds, vorzüglich auf die nächsten dazu qualificirten 
[Verwandten der Minderjährigen Rücksicht zu nehmen, und S. 36. 
diese nur aus besonderen Gründen zu übergehen. 
 
	        
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