Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Ansicht zuzuneigen, daß ein oberster Reichsgerichtshof zur Wahrung der Ein- 
heit des Reichsrechts unentbehrlich sei, dagegen wurde mehrfach hingewiesen, 
daß namentlich für diejenigen Staaten, welche sich nicht auf ein Oberlandes- 
gericht beschränken können, bei dem gegenwärtigen Stande der deutschen Zivil- 
gesetzgebung nicht auf die Oberlandesgerichte verzichtet werden könnte, da ja 
außerdem für das Landesrecht die notwendige Rechtseinheit verloren ginge. 
Es wurde ferner geltend gemacht, daß gegenüber der Annahme des Reichs- 
gerichtshofs im Prinzip die Belassung der Oberlandesgerichte im Augen- 
blick gar nicht bedenklich erscheine, denn so lange nicht ein allgemeines 
deutsches Zivilgesetzbuch existire, werde, wie man auch die Sache ordnen möge, 
der oberste Reichsgerichtshof kaum eine ersprießliche Thätigkeit entfalten können, 
wenn ihm die Oberlandesgerichtshöfe nicht die Entscheidung über zahllose Landes- 
rechtsnormen abnehmen möchten. 
Der Entwurf der Zivilprozeßordnung und das Einführungsgesetz dazu 
hatte in 74 Punkten Abänderungen durch den Justizausschuß erfahren. 
2. Gerichtsverfassungsgesetz.1) Die Beratungen im Justizausschuß 
hierüber begannen am 23. April 1874. Als Referent fungirte der Königlich 
sächsische Justizminister Abeken. Nachdem bekanntlich über zwei Entwürfe zu 
diesem Gesetz ein Einverständnis im Bundesrate nicht hatte erzielt werden können, da 
dieselben sowohl in einer besonderen Konferenz der deutschen Justizminister im 
Herbst 1872 als in einer darauf folgenden ihrer Kommissare im Winter 1873 
verworfen wurden, war jetzt ein neuer Entwurf im preußischen Justizministerium 
ausgearbeitet worden und zwar mit Bezugnahme auf die Beschlüsse des Justiz- 
ausschusses über die Zivil= sowie über die Strafprozeßordnung. Die Beratungen 
nahmen einen durchaus glatten Verlauf. Die Arbeit war durch Erledigung 
der Hauptfragen bei der Beratung über die Zivil= und Strafprozeßordnung 
sehr erleichtert. 
Der Gedanke, neben dem Reichs-Oberhandelsgerichte einen Reichsgerichts- 
hof für die nicht zur Zuständigkeit des ersteren gehörenden Zivilsachen und für 
Strafsachen zu errichten, trat nirgends hervor. Wohl aber wurde der Antrag 
auf Errichtung von zwei Reichsgerichten, das eine für Zivilsachen, das zweite 
für Strafsachen, gestellt und erörtert. 
Nach den Anträgen des Ausschusses sollte der Ort des obersten Reichs- 
gerichts nach Erlaß des Gesetzes durch kaiserliche Verordnung unter Zustimmung 
des Bundesrats bestimmt werden. 
Das Gerichtsverfassungsgesetz zerfiel in 16 Titel und 166 Paragraphen. 
  
  
1) Zu vergleichen über die Ausschußverhandlungen die „Nat.-Ztg." Nr. 200 v. 1. 5.74, 
u. 214 v. 9. 5. 74, 239 v. 27. 5. 74 (Inhalt des Gerichtsverfassungsgesetzes), Nr. 241 
v. 28. 5. 74 (Inhalt des Einführungsgesetzes zum Gerichtsorganisationsgesetz). Vgl. auch 
die „Nordd. Allg. Zta.“ Nr. 108 v. 10. 5. 74, Nr. 121 v. 28. 5. 74, Nr. 122 v. 29. 5. 74.
	        
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