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Reihe von Grundsätzen zu Protokoll gegeben, unter welchen etwa die folgenden
hervorzuheben wären:
Daß zu Gunsten der landesrechtlichen Disziplinarstrafgewalt und der Be—
stimmungen über Ministerverantwortlichkeit ausdrückliche Vorbehalte nicht zu
machen gewesen sind, weil diese Materien, wie auch vom Justizausschuß schon
bei der Beratung des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgesprochen worden war,
durch dieses Gesetz und die Strafprozeßordnung überhaupt nicht berührt werden;
ferner, daß die landesgesetzlichen Befugnisse: a) der Polizei, der Verwaltung
und gewisser Verwaltungsorgane (Gemeinde-, Steuer-, Wiesen= u. s. w. Aus-
schüsse, Schulkommissionen und dergleichen) zur Verhängung von Ordnungs-
und Zwangsstrafen; b) der Zoll= und Steuerbehörden zur Vornahme von
Revisionen, Kontrollmaßregeln, Nachsuchungen 2c. selbstverständlich unberührt
bleiben. Von dem bayerischen Bundesbevollmächtigten wurde außerdem unter
näherer Darlegung des bezüglichen in der Rheinpfalz und in den rechtsrheinischen
Kreisen Bayerns geltenden Verfahrens beantragt, als Ansicht des Ausschusses
auszusprechen: daß auch die Befugnisse der Finanzverwaltung zur Ueberlassung
der Aburteilung der sogenannten Stempel und Einregistrirungsfälle in den Ge-
bieten französischen Rechts und der Taxkontraventionen an die Ziovilgerichte
durch die Strafprozeßordnung nicht berührt werden. Die Mehrheit des Aus-
schusses war jedoch der Meinung, daß die Strafprozeßordnung im 3. Abschnitt
des VI. Buches in Betreff der Strafverfügungen eine gemeinverbindliche, für
alle Straffälle wegen Gefälls= und Steuerhinterziehung maßgebende Norm auf-
stelle, und daß die Verfällung des Pflichtigen in eine mehrfache Gebühr als
eine unter diese Norm fallende Auferlegung einer Strafe sich darstelle; wobei
indessen allseitig anerkannt wurde: a) für das Gebiet des französischen Rechts
die unberührt bleibende Zuständigkeit der Zivilgerichte zur Entscheidung der
Streitigkeiten über Natur und Steuerpflicht eines bestehenden Rechtsgeschäfts;
b) für das rechtsrheinische Gebiet der Fortbestand der geltenden Bestimmungen
über die Befugnisse der Zivilgerichte zur Einleitung des Schätzungsverfahrens
und zur Konstatirung des Ergebnisses, sowie über die hiermit im Zusammen-
hange stehende Verbindlichkeit des Steuerpflichtigen zum Ersatz von Kosten.
Mitte Mai 1874 war der Justizausschuß in der Lage, die Sub 1—3
erwähnten Entwürfe dem Bundesrat vorzulegen. 1) Am 16. Juni 1874 begannen
die Plenarberatungen des Bundesrats darüber.
Den Vorsitz führte der Staatsminister Delbrück, die preußische Stimme
der preußische Justizminister Dr. Leonhardt; eine Anzahl von Staatsministern
der kleineren Staaten waren zur Teilnahme an der Beratung eigens nach Berlin
1) Vgl. die Druckschrist: „Die Entwürfe des Bundesrats zu den Gesetzen über die
Gerichtsverfassung und den Strafprozeß für das Deutsche Reich.“ (Separatabdruck aus
Dr. Goltdammers Archiv für deutsches Strafrecht. Berlin 1874. Verlag der Königl. Geh.
Ober-Hofbuchdruckerei [R. v. Deckerl. Gr. 80 5½ Bg. Preis 16 Sgr.)