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Anwendung der in dem § 1 enthaltenen Vorschriften mußte daher an die weitere
Bedingung geknüpft werden, daß der Geistliche der Entlassung keine Folge
leistet, möge er lediglich in passivem Widerstand verharren, oder durch Vornahme
von Amtshandlungen aktiv der Entlassung entgegentreten. Die Vorlage verlieh
der Landesregierung die Befugnis, nach ihrem Ermessen gegen den renitenten
Geistlichen entweder sofort mit der Entziehung der Staatsangehörigkeit vor—
zugehen, oder denselben zunächst in seinem Aufenthalte zu beschränken. Wenn
auch begründete Zweifel darüber obwalten konnten, ob die Internirung rück-
sichtlich der geistlichen Oberen ihren Zweck erreichen würde, so erachtete es der
Ausschuß doch für politisch richtig und den Rücksichten der Milde entsprechend,
das strengere Mittel erst dann zur Anwendung zu bringen, nachdem das mildere
versucht ist, aber als wirkungslos sich erwiesen hatte.
Diesen Gedanken brachte der Ausschuß in seinem Antrag zum Ausdruck.
Danach setzte die Entziehung der Staatsangehörigkeit voraus, daß der Geistliche
entweder der ihm auferlegten Aufenthaltsbeschränkung zuwider handelte — indem
er der Verfügung überhaupt keine Folge leistete oder die ihm gewiesenen Grenzen
übertrat — oder daß er nach dem Vollzug der Verfügung sich mit Ausübung
des Amtes befaßte, aus welchem er entlassen ist. Die Entziehung der Staats-
angehörigkeit hat den Zweck, den davon Betroffenen in die Lage eines Fremden
zu bringen, der ausgewiesen werden kann, wenn sein Verbleiben im Lande mit
dem öffentlichen Interesse nicht verträglich ist. Es erschien ratsam, diese Folge
in dem Gesetz ausdrücklich und zwar im Einklang mit analogen Vorgängen
der Reichsgesetzgebung mit der Wirkung auszusprechen, daß die Ausweisung
sich auf das Bundesgebiet zu erstrecken hat. Damit sollte aber keineswegs
gesagt werden, daß die Entziehung der Staatsangehörigkeit die Ausweisung zur
notwendigen Folge haben müsse. Vielmehr sollte die Regierung in der Lage
bleiben, bei Anwendung der in ihre Hand gelegten Vollzugsmittel der Indi-
vidualität des einzelnen Falles Rechnung zu tragen. 1)
1) Zu vergleichen über die Ausschußverhandlungen die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 63
v. 15. 3. 74 und die „Nat.-Ztg.“ Nr. 117 v. 11. 3. 74: Das Referat hatte der hanseatische
Ministerresident Dr. Krüger übernommen, die Bedürfnisfrage nach allen Seiten hin be-
leuchtet und danach die Annahme des Gesetzes empfohlen. Es fehlte nicht an Stimmen,
welche abweichende Ansichten vertraten und sich namentlich gegen die Entziehung des
Indigenats aussprachen. Man konnte indessen nicht verhehlen, daß in Preußen ein wirk-
licher Notstand vorhanden sei, dem durch das Gesetz ein Ende gemacht werden sollte und
könnte. Ein von einer Seite eingebrachter Gesetzentwurf, der nur die Ausweisung zulassen
wollte, fand keine Zustimmung, ebensowenig ein Antrag, das Gesetz für katholische Geistliche
zu erlassen. Im Prinzip fand der Entwurf schließlich, besonders im Hinblick auf Preußen,
wo bereits zwei Bischöfe in das Gefängnis abgeführt werden mußten, Annahme, jedoch
wurde § 1 in einer milderen Fassung angenommen, ungefähr dahin, daß der Verlust des
Indigenats erst dann eintreten solle, wenn Ausweisung oder Internirung wirkungslos
blieben. Die §§ 2 und 3 wurden unverändert angenommen. — Der vom Justizausschuß