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führt und die Erteilung der Eisenbahnkonzessionen gehandhabt wurde. Nach
der preußischen Ministerialverfassung war Bismarck, wenn er in Bezug auf das
Ressort seines Kollegen Wünsche hatte, auf das Bitten angewiesen, und diese
Vorstellungen hatten meist keinen Erfolg.
Einen stärkeren Einfluß auf das Eisenbahnwesen erhielt Bismarck nach
dem Zustandekommen der Verfassung des Norddeutschen Bundes, welche die
Eisenbahnaufsicht in oberer Instanz dem Reich vindizirte. Aber die wesentlichsten
Bestimmungen des siebenten Abschnitts der Bundesverfassung blieben lange ein
toter Buchstabe, weil Bismarck bis 1873 nicht die technischen Kräfte besaß, um
hier reformirend vorzugehen. Nach Gründung des Norddeutschen Bundes
konzentrirte sich bekanntlich die gesamte Reichsverwaltung, soweit nicht die aus-
wärtige Politik in Frage kam, in dem Bundeskanzler-Amt unter Delbrücks
Leitung. Der einzige mit dem Eisenbahnwesen vertraute Beamte war daselbst
der im Dezember 1868 als kommissarischer Hilfsarbeiter eingetretene Kraefft,
der aber niemals bis zu Bismarck drang; denn Delbrück hielt fest darauf, daß
alle Vorträge bei dem Bundeskanzler von ihm erstattet wurden, gleichviel ob
es sich um Fragen auf dem Gebiet der inneren Politik, des Finanz-, Justiz-,
Post-, Telegraphen-, Eisenbahn= oder Konsularwesens handelte. Kraeffts Arbeits-
gebiet war die Vorbereitung der Maßnahmen zur Ausführung der in der Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes enthaltenen umfassenden Bestimmungen über
das Eisenbahnwesen, vorzugsweise der Tariffragen. Im Januar 1870 wurde
Kraefft ständiger Hilfsarbeiter im Bundeskanzler-Amt, 1872 Regierungsrat im
Reichskanzler-Amt. Seit 1871 hatte sich das daselbst zu bearbeitende Feld
durch die Erwerbung der elsaß-lothringischen Bahnen beträchtlich erweitert, wes-
halb auch eine Vermehrung des im Eisenbahnfach bewanderten Beamtenpersonals
erforderlich wurde.
Der zuerst einberufene Beamte (Techniker) war der Geheimrat Hartwig
von der Rheinischen Bahn (Cöln), an dessen Stelle später Geheimrat
Kienel trat.
Ein wesentlicher Schritt zur Ausführung der in der Reichsverfassung ent-
haltenen Bestimmungen über das Eisenbahnwesen erfolgte indessen erst mit dem
von dem württembergischen Abgeordneten Elben angeregten Reichs-Eisenbahn-
Amt, für dessen Zustandekommen Bismarck am 17. und 28. Mai 1873 im
Reichstag mit Lebhaftigkeit eintrat. Nachdem Bismarck im Bundesrat den
Widerspruch der von diesem Amte einen Eingriff in ihre Eisenbahnsouveränität
befürchtenden Staaten gebrochen, lag ihm daran, dafür einen tüchtigen Leiter
zu finden; seine Wahl fiel auf den Geheimen Ober-Finanzrat Scheele, welcher
1869, weil er sich mit dem Finanzminister v. d. Heydt nicht hatte stellen
können, aus dem Finanzministerium ausgeschieden war und seitdem die
Stelle des Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Berliner Diskontogesellschaft
bekleidete.