— 147 —
Erhöhung der Eisenbahntarife.) Im März 1874 richtete der
Kanzler das nachstehende Schreiben an den Bundesrat: „Infolge der
Steigerung der Arbeitslöhne und der Preise der Kohlen und des Eisens
haben sich seit dem Jahre 1872 die Betriebsüberschüsse der Eisenbahnen
vermindert. Indem behauptet wird, daß diese Verminderung im Jahre 1873
ein bedenkliches Maß erreicht habe und als eine dauernde erachtet werden müsse,
ist eine Agitation auf Tariferhöhung eingeleitet, der sich auch gut situierte
Bahnen angeschlossen haben, welche darauf hinweisen, daß infolge der Aus-
dehnung ihrer Unternehmen auf neue nicht rentable Linien, sowie infolge Not-
wendigkeit von Neubauten 2c. ihre Rente bis unter den landesüblichen Zinsfuß
und für einzelne Bahnen auf ein weit hinter diesem Zinsfuß herabgehendes
Minimum sinken werde. Veranlaßt durch eine Mitteilung der Königlich preu-
ßhischen Regierung habe ich die Betriebsresultate der Eisenbahnen, welche damals
nur für 1872 bekannt waren, einer Prüfung unterziehen lassen. Nach dem
Ergebnis derselben ersuchte ich die Königlich preußische Regierung zunächst die
Betriebsresultate für das Jahr 1873 abzuwarten. Während dieselbe nach
der von ihr der preußischen Landesvertretung öffentlich gegebenen Erklärung
meiner Ansicht beitrat, gelangte zu meiner Kenntnis, daß die Großherzoglich
badische Regierung am 1. November a. pr. eine Erhöhung ihrer Tarife habe
eintreten lassen und aus einer Erklärung des Königlich bayerischen Staats-
kommissars in der Sitzung der bayerischen Kammer der Abgeordneten vom
29. Januar d. J. ergiebt sich, daß zwischen den Verwaltungen der bayerischen,
württembergischen und badischen Eisenbahnen wegen gleichmäßigen Vorgehens
in der Tariffrage eine Vereinbarung stattgefunden hat. Mit Rücksicht auf die
mäßigen und entsprechend ermäßigten Tarifs für größere Entfernungen hinzuwirken, und
glaubte, daß, wenn die badische Eisenbahnverwaltung bisher ziemlich hohe Tarifsätze aufrecht
erhalten habe, dieselbe nicht mit einer reichsgesetzlichen Vorschrift sich im Widerspruch
befinde, und daß es sich doch wohl nur um eine freie Verständigung über künftig thunliche
Erreichung des fraglichen Verfassungsartikels handeln könne. Die bayerische Regierung
erklärte gegenüber den erhöhten Betriebsausgaben der Bahnen und dem grellen Miß-
verhältnis zwischen den Kohlenpreisen und den Transportgebühren sowie der Flauheit
des Verkehrs, nicht in der Lage zu sein, eine Herabsetzung des Tarifs vorzunehmen. Die
württembergische Regierung erklärte, obwohl Württemberg zum Schlußprotokoll des Versailler
Vertrags dem Art. 45 der Reichsverfassung gegenüber den Vorbehalt gemacht hat, daß auf
den württembergischen Eisenbahnen nicht alle in diesem Artikel aufgeführten Transporl-
gegenstände in allen Gattungen von Verkehr zum Einpfennigsatze befördert werden müssen,
dennoch nicht der Einführung des Einpfennigtarifs für Kohlen und Coaks, und um so
weniger einer bedeutenden Ermäßigung der Frachtsätze für diese Artikel einen Widerstand
entgegensetzen zu wollen, sofern die Ermäßigung resp. die Einführung des Einpfennigtarifs
als eine allgemein gültige Maßnahme von Reichs wegen angeordnet werde.
1) In dieser Angelegenheit erteilte Fürst Bismarck, und zwar in jedem Stadium
derselben nach jederzeitiger eingehender Prüfung, persönlich die speziellste Instruktion. Vgl. die
„Nat-Ztg.“ Nr. 154 v. 1. 4. 74.