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Bundesrat daher anheim, im Sinne der Vorschläge des Reichs-Eisenbahn-Amts
Beschluß fassen zu wollen.
Nach sehr eingehenden Beratungen wurden vom Bundesrat die Ausschuß-
anträge 1) (Referent der hanseatische Ministerresident Dr. Krüger) in folgender
von Preußen vorgeschlagener, modifizirter Fassung angenommen: Der Bundesrat
wolle in Erwägung, daß das vom Reichs-Eisenbahn-Amt vorgelegte Ergebnis
der mit Delegirten des Handelsstandes und der Eisenbahnverwaltungen im Juli
und August v. J. gepflogenen Verhandlungen über die Einführung eines ein-
heitlichen Frachttarifsystems für die Eisenbahnen Deutschlands als ein dem
Beschlusse des Bundesrats vom 11. Juni 1874 entsprechendes nicht zu erachten
ist; daß demzufolge eine Entscheidung über die Tarifreform zurzeit nicht
thunlich, unter den obwaltenden Verhältnissen vielmehr eine weitere Erörterung
der Angelegenheit und eine Verlängerung des unter Ziffer 2 jenes Beschlusses
gewährten Interimistikums mit den nachfolgenden Modifikationen erforderlich
erscheint, beschließen:
I. Vom Standpunkt des Reichs ist gegen die weitere Erhebung des durch
Beschluß vom 11. Juni 1874 Ziffer 2 zugelassenen interimistischen Fracht-
zuschlages von höchstens 20 Prozent unter der Bedingung nichts zu erinnern, 1. daß
von diesem Zuschlage wie bisher ausgenommen bleiben: Getreide, Hülsenfrüchte,
Kartoffeln, Mehl, Mühlenfabrikate und Salz; 2. daß beim Transport in
Wagenladungen und auf größere Entfernungen der gedachte Zuschlag mit dem
1. April 1875 in Wegfall komme für Brennholz und für folgende Düngungs-
mittel: Poudrette, Düngerkalk, Gaskalk, Gaswasser, Chilisalpeter, Chlorkalium,
Fleischmehl, Guano, Knochenmehl, phosphorsauren Kalk, Superphosphat, Super-
phosphorit; 3. daß bei Kohlen, Coaks, Steinen, Roheisen, Bau= und Gruben-
holz, Vieh und beifolgenden Futtermitteln: Kleienarten, Rübenpreßlinge, Hackfrüchte,
Oelkuchen, Rapsmehl und Leinenmehl im Sinne des Artikels 45 der Reichs-
verfassung eine Ermäßigung des Zuschlags ins Auge zu fassen sei, vorausgesetzt,
daß die Betriebs= und Finanzverhältnisse der betreffenden Eisenbahnen dieses
unbedenklich erscheinen lassen.
II. Der Reichskanzler wird ersucht, nach vorgängiger Vernehmung von
Sachverständigen aus den Kreisen des Handelsstandes, der Industrie, der Land-
wirtschaft und der Eisenbahnverwaltungen dem Bundesrat, sobald die Vor-
arbeiten es gestatten, geeignete Vorschläge für die Einführung eines, der Absicht
der Reichsverfassung entsprechenden einheitlichen Frachttarifsystems für die Eisen-
bahnen Deutschlands zur Beschlußnahme vorzulegen, wobei davon auszugehen
ist, daß der Beibehaltung und weiteren Ausdehnung des natürlichen Tarifsystems
neben einem anderen System nichts entgegenstehe.
III. Die Bundesregierungen werden ersucht, Ueberschreitungen, welche bei
1) Vgl. die „Nat.-Ztg.“ Nr. 5 v. 5. 1. 75, Nr. 15 v. 10. 1. 75, Nr. 24 v. 15. 1. 75.