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wörtlich — „welcher am 15. September in Bern eröffnet wurde und auf
welchem 22 Regierungen durch 38 Bevollmächtigte vertreten waren, seine
schwierigen Verhandlungen schon am 9. Oktober 1874 durch Unterzeichnung des
Vereinsvertrages zum formellen Abschluß bringen konnte, ist eine in der Ge—
schichte, zumal der Postverträge, einzig dastehende Thatsache. Zeigt sie einerseits
die Umsicht, mit der die Einleitungen getroffen und die Verhandlungen geleitet
worden sind, so giebt sie nicht minder der Einmütigkeit der Ueberzeugungen,
von denen die Regierungen in ihren Vertretern beseelt waren, ein beredtes
Zeugnis.“ Der Bericht beleuchtete darnach den Vertrag nach seinen beiden
Abschnitten: Korrespondenzverkehr unter den Postverwaltungen der Vereinsländer
in Bezug auf Freiheit des Transits, Einheit des Portos, Gleichheit der Porto—
teilung und Verfassung der inneren Organisation des Postvereins. Betont
wurde, daß die politischen Grenzen der Länder der vertragenden Teile verschwinden
und durch den Vertrag ein einziges Postgebiet gebildet wird. „Die Kontinuität
desselben, welches etwa 16 000 Ouadratmeilen und 345 Millionen Einwohner
umfaßt, wird durch die zwischenliegenden Meere nicht unterbrochen; selbst über
den Ozean hinüber reichen die Glieder des Vereins sich die Hände, so daß
jede Korrespondenz zwischen europäischen Ländern und Nordamerika als eine
innerhalb des Vereinsgebiets sich bewegende Postsendung behandelt wird, auf
welchem Wege sie auch befördert werde.“ Der folgende Teil des Berichts be-
leuchtete die einzelnen Teile des Vertrags und wies nach, wie durch denselben
den Vereinsstaaten außer der Unabhängigkeit ihrer inneren Postgesetzgebung auch
noch die Befugnis gewahrt ist, zur weiteren Erleichterung des Verkehrs Verträge
unter sich bestehen zu lassen oder neu zu schließen, sowie engere Vereine aufrecht
zu erhalten oder neu zu begründen, so daß in dem Vertrage das Prinzip der
Stabilität und das der Beweglichkeit in glücklicher Weise vereinigt wird. Der
Bericht erwähnte, wie der Beitritt Frankreichs noch offen behalten worden und
infolge einer ausdrücklichen, neuerdings durch den französischen Minister des
Auswärtigen an den schweizer Bundesrat erlassenen Note nur für den Fall
zugesagt war, daß die französische Nationalversammlung sich damit einverstanden
erklärte. „Der Wert — schloß der Bericht — den die französische Regierung darauf
legt, die unbestrittene Freiheit ihres Entschlusses von neuem zu konstatiren, wird
die Ueberzeugung nicht erschüttern, daß Frankreich es in seinem Interesse liegend
erachten werde, einem zivilisatorischen Werke, welches die einmütige Zustimmung
aller übrigen hervorragenden Kulturvölker der Erde erhalten hat, auch seinerseits
sich anzuschließen."“
Die Annahme des Berner Vertrags im Bundesrat erfolgte mit einer ge-
wissen Feierlichkeit. Der Referent, der hanseatische Ministerresident Dr. Krüger,
schloß mit einer Anerkennung für die deutsche Reichsregierung und besonders
für die Postverwaltung, von welcher die Anregung zum Abschluß des Vertrags
ausgegangen war, und ersuchte, da der Vorsitzende doch ein unmittelbares Mit-