— 9 —
darüber, daß es ihm gelingen werde, die hohen Erwartungen, welche sich an
die neue Reichsbehörde knüpften, alle zu erfüllen.
Vor allen Dingen ist zu berücksichtigen, daß dem Reichs-Eisenbahn-Amt
keine bestimmt umschriebene Kompetenz zukam; eine solche sollte ihm erst durch ein
Reichs-Eisenbahngesetz beigelegt werden, und ein solches Gesetz auszuarbeiten
mußte allerdings eine der ersten Sorgen der Behörden sein. Vorderhand konnte
das Reichs-Eisenbahn-Amt von den einzelnen Bahndirektionen jede Auskunft
fordern; es konnte wohlmeinende Vorschläge machen, aber Zwang zu üben
mochte es nur in sehr seltenen Fällen kompetent sein.
Am 11. August 1873 dankte Scheele Bismarck für das ihm durch die
Ernennung zum Vorsitzenden des Reichs-Eisenbahn-Amts bewiesene Vertrauen.
„Ich werde“ — so führte derselbe ungefähr aus — „den Rest meiner
Kräfte daran setzen, die dieser Institution gestellte schwierige Aufgabe Eurer
Durchlaucht mir bekannten Intensionen entsprechend zu lösen und mich zunächst
so rasch als möglich in die Lage setzen, wegen Zusammensetzung des Reichs-
Eisenbahn-Amts Vorschläge abzugeben.
„Da übrigens mein bisheriger Titel Geheimer Ober-Finanzrat zu meinem
Amt weder an sich noch bezüglich des Rangverhältnisses paßt, der Träger des-
selben doch aber irgend einen angemessenen Titel führen muß, so setze ich Eurer
Durchlaucht hohes Einverständnis voraus, wenn ich den Titel Präsident führe,
der in der Presse geläufig geworden ist und dem Gesetz, betreffend die Errichtung
des Reichs-Eisenbahn-Amts, vom 27. Juni 1873 § 5 sowie der von mir dem
Herrn Minister Delbrück abgegebenen Erklärung entspricht."“
Bismarck erklärte sich hiermit einverstanden; bereits am 25. August 18731)
verständigte der Reichskanzler (in Vertretung Delbrück) Scheele, daß der Kaiser
zu bestimmen geruht habe, daß er als Vorsitzender des Reichs-Eisenbahn-Amts
den Titel Präsident führe.
Am 29. August 1873 teilte der Staatsminister Delbrück Scheele mit, der
Reichskanzler wünsche nach einem ihm gestern zugegangenen Schreiben die
baldigste Konstituirung des Reichs-Eisenbahn-Amts. Scheele wurde ersucht, dem
Kanzler, soweit die Verhandlungen wegen Besetzung der Stellen abgeschlossen
waren, den Immediatbericht vorzulegen und gleichzeitig über die Lage der noch
nicht abgeschlossenen Verhandlungen Nachricht zu geben. Gleichzeitig bot Delbrück
Scheele und noch zwei seiner Beamten bis zur Einrichtung seines Bureaus ein
Arbeitszimmer im Reichskanzler-Amt an.
„Sie könnten dann vielleicht Ihre Aktion beginnen, noch ehe Ihre definitiven
Räume in Ordnung sind.“
Und nun ereignete sich der in den Annalen der Aemtergeschichte gewiß
seltene Fall, daß der Chef einer neugebildeten Behörde das noch kaum
1 In Kohls Bismarck-Regesten nachzutragen. Datum übrigens bisher unbekannt.