Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

— 166 — 
Die von Jahr zu Jahr wachsenden Bedürfnisse des Reichs ließen die Not- 
wendigkeit, auf Vermehrung der direkten Einnahmen desselben hinzuwirken, immer 
dringender hervortreten, da die Aufbringung des Mehrbedarfs durch Matrikular= 
beiträge auf den Staatshaushalt der Bundesstaaten, welcher auf der Basis der 
Vergangenheit das Erfordernis meist für eine mehrjährige Finanzperiode fest- 
stelle, den störendsten Einfluß äußere. Die gehegte Erwartung, daß für das 
Jahr 1875 der Mehrbedarf durch die Ueberschüsse des Jahres 1873 werde 
gedeckt werden, sei ungeachtet der Fortdauer normaler politischer Verhältnisse 
nicht in Erfüllung gegangen; vielmehr habe der durch Matrikularbeiträge zu 
deckende Betrag um nahe an 26 Millionen Mark höher eingestellt werden müssen 
als für das Jahr 1874. Auf die Fortdauer von Ueberschüssen zu rechnen, sei 
aber überhaupt finanzpolitisch sehr bedenklich, und es liege die Gefahr nahe, 
daß bei dem Ausbleiben der seitherigen Ueberschüsse die Matrikularbeiträge plötz- 
lich eine unerschwingliche Höhe erreichen. Er sei daher beauftragt, dem dringenden 
Wunsche Ausdruck zu geben, daß schon vor Aufstellung des nächsten Etats auf 
neue Einnahmequellen ernstlich Bedacht genommen werde und als solche außer 
der bereits früher in Frage gewesenen Tabaksteuer und dem Zoll auf Mineralöle 
insbesondere eine Erhöhung der Biersteuer sowie die Einführung einer Reichs- 
gewerbesteuer und einer umfassenden Reichsstempelsteuer zu bezeichnen. 1) 
1) Ueber die augenblickliche Lage der Steuerreform bemerkte die „Spenersche Ztg." 
im August 1874: „Die Reichsmatrikular-Umlagen werden namentlich von den kleineren 
und ärmeren Bundesstaaten angefochten, welche in der That auch Grund haben, sich über 
diese „Kopfsteuer zu beschweren. Auch die Reichsregierung würde gern sehen, wenn jene 
Anweisung auf die Kassen der Einzelstaaten, von welchen einzelne gerade nicht glänzend 
gestellt sind, ersetzt würde durch andere Einnahmen, welche dem Reiche direkt (und ohne 
den Umweg durch die Staatskassen der Partikularstaaten) zuflössen. In diesem Sinne 
haben sich sowohl der Reichskanzler als auch der Präsident des Reichskanzler-Amtes bei 
verschiedenen Gelegenheiten im Reichstag geäußert. Den durch Einführung neuer Steuern 
und Zölle, z. B. eines Eingangszolles auf Petroleum, gesuchten Ersatz hat aber bisher der 
Reichstag geweigert. Was die Gewerbesteuer anlangt, so hatten bekanntlich die Abgeordneten 
Dr. Braun und Dr. Porsch den Antrag gestellt, die Hausir= und Gewerbesteuer der Einzel- 
staaten abzuschaffen und durch eine unifizirte Reichssteuer zu ersetzen. Der Antrag wurde 
hauptsächlich im Interesse der wirtschaftlichen Freiheit begründet. Die Reichsbehörde schien 
ihn aber auch finanziell acceptabel zu finden, weil er die Matrikular-Umlagen vermindern 
würde. Sie gab eine dem Antrag günstige Erklärung ab. Später jedoch ist ihr Eifer 
gänzlich erkaltet, und zwar, wie es scheint, infolge der Erwägung, daß keine einheitliche 
Reichssteuerdirektion und keine Reichssteuerbehörden bestehen, und der Vollzug ein sehr 
ungleicher und hinsichtlich der Verteilung der Lasten ungerechter werden würde, wenn man 
alles den Finanzbehörden der Partikularstaaten überließe. Dasselbe Bedenken hat sich 
bisher auch gegenüber dem Vorschlage, eine Reichseinkommensteuer mit der gegenwärtig 
bestehenden Einkommensteuer des Einzelstaats und der Gemeinden zusammenfallen zu lassen, 
gezeigt; letzterer verrät eine arge Unkenntnis der bestehenden Verhältnisse. Bekanntlich 
existirt in der Mehrzahl der deutschen Gemeinden glücklicherweise keine kommunale Be- 
lastung durch die Einkommensteuer. Auch in mehreren Einzelstaaten giebt es diese Steuer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.