Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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von Jahr zu Jahr verminderte, und wie das von ihm zu so viel Glanz und 
Ansehen gebrachte Reichskanzler-Amt in seinen Attributen immer mehr zusammen— 
zuschrumpfen drohte. Nun soll aber die Minderung der amtlichen Macht— 
befugnisse eine Sache sein, die sich auch weniger ehrgeizige Minister nur mit 
Widerwillen gefallen lassen. Delbrück wollte jedenfalls nicht „en baisse“ gehen. 
Man sieht, der inneren Gründe für den Rücktritt gab es für Delbrück 
genug. Für ihn war jetzt die Frage: die ruhmreiche Stellung mit Ehren ver— 
lassen, oder in heißen Kämpfen mit dem Kanzler und dem Parlament noch 
kurze Zeit im Amte bleiben, um dann, sicherlich nicht ohne geschwächtes An- 
sehen, der Macht der Verhältnisse doch weichen zu müssen. Als weitblickender 
Mann wählte Delbrück das erstere. 
Die Trennung vollzog sich ohne Groll und in den ausgewähltesten Formen. 
Bismarck gab dem ausscheidenden Delbrück am 7. Juni 1876 sogar ein feier- 
liches Abschiedsdiner. In dem Toaste auf Delbrück dankte Bismarck demselben 
für seine hingebende und eifrige Mitwirkung an dem Ausbau des Reiches, 
unter besonderer Betonung des vielen, was er von ihm gelernt habe. Delbrück 
lehnte dieses Kompliment bescheiden ab und bemerkte, er sei es vielmehr, der 
durch Bismarcks praktischen Blick gefördert worden sei, und schloß mit einem 
Hoch auf den Reichskanzler. Die Thatsache, daß trotz dieser Versicherungen 
kein Teil von dem andern etwas hinzulernen wollte, war aber nicht aus der 
Welt zu schaffen. 
Als später Delbrück ein Reichstagsmandat übernahm, trat er und Bismarck 
sich allerdings wiederholt gegenüber, so in Sachen der Getreidezölle, ) der 
Währungsfrage?) und der Elhbschiffahrtsakte. 3) Die Diskussion nahm aber 
niemals einen scharfen Charakter an; so nannte Bismarck Delbrück noch in der 
Reichstagsrede vom 8. Mai 1879 seinen „geehrten persönlichen und, wie ich 
überzeugt bin, auch in der Hauptsache politischen Freund“, 1) und am 19. Juni 
1879 sagte Bismarck, er schmeichle sich, noch heute in persönlichem, freund- 
schaftlichem Verhalten mit Delbrück zu stehen. 5) 
Bei der Vornehmheit der beiderseitigen Kampfesweise sahen sich diejenigen 
enttäuscht, welche leidenschaftliche Auftritte, Enthüllungen Delbrücks, Keulen- 
schläge Bismarcks erwarteten. Um so peinlicher mußte es berühren, daß die 
radikale Freihandelspresse immer wieder an Delbrück anlehnte, um den Kanzler 
herunter zu ziehen. So bemerkte zum Beispiel die „Berliner Zeitung“: „Seinen 
1) Bismarcks Rede vom 21. Mai 1879; Kohl, Bismarckreden Bd. VIII. S. 59. 
Vgl. auch Bismarcks Rede vom 21. Februar 1879 über den Handelsvertrag mit Oesterreich. 
2) Bismarcks Rede vom 19. Juni 1879. 
3) Bismarcks Rede vom 8. Mai 1880. 
4) Kohl, Bismarckreden Bd. VIII. S. 46 und Eugen Richter „Im alten Reichstag“ 
Bd. II. S. 161: Fürst Bismarck und Delbrück; vgl. auch S. 165. 
5) Kohl, Bismarckreden Bd. VIII. S. 126.
	        
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