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verbürgt. Die andere ist in meinem Werke: „Die Ansprachen des Fürsten Bis-
marck 1848 bis 1894“ Seite 126 registrirt.
L. Bucher, der, ich schicke das voraus, auf Delbrück schlecht zu sprechen
war,!) erzählte mir folgende Einzelheiten, die ich hier zur Vervollständigung
der Skizze noch anschließen will.
Delbrück habe die Tendenz gehabt, sein Amt immer mehr zum Mittelpunkt
der Reichsverwaltung zu machen; alles wußte er mit seinem Geiste zu erfüllen,
und sein Verwaltungstalent war groß. Selbst mit den Botschaftern und Ge-
sandten habe Delbrück selbständig korrespondirt, und zwar nicht bloß mit den
deutschen im Auslande, sondern auch mit den in Berlin domizilirenden Ver-
tretern der fremden Mächte. Der Einfluß, den Delbrück selbst im Bundesrat
besaß, sei unter keinem seiner Nachfolger wieder erreicht worden So würde
es zum Beispiel unter Delbrück kein Bevollmächtigter zum Bundesrat gewagt
haben, im Ausschuß einen Initiativ= oder Abänderungsantrag einzubringen, ohne
sich vorher durch Rücksprache mit dem Decernenten der Aufnahme desselben
zu versichern.
Von Anfang der siebziger Jahre ab beginne die Verkleinerung der Del-
brückschen Machtfülle; zuerst habe der Kanzler das Konsulatswesen dem aus-
wärtigen Ressort zugewiesen, dann die sogenannten Interzessionssachen, dann
sei mit der Gründung eigener Reichsämter vorgegangen worden, später habe sich
Bismarck auch hinsichtlich gewisser Schreiben des Reichskanzler-Amts die Super-
revision vorbehalten. So erinnere er (Bucher) sich, daß Fürst Bismarck zu
Anfang der siebziger Jahre während des Herbstaufenthalts zu Varzin ihn zwei-
mal hintereinander eine Instruktion für Delbrück ausarbeiten ließ, welche die
Tendenz hatte, den Verkehr mit den Bundesregierungen der Kognition des
Kanzlers zu unterstellen. Derartige Weisungen seien aber regelmäßig nach kurzer
Zeit obsolet geworden, das heißt Delbrück habe weiter regiert.
Ein anderes Mal erzählte mir L. Bucher: Delbrück habe alles an sich
gerissen und seine Finger selbst nach dem Auswärtigen Amt ausgestreckt. Während
die Beamten des letzteren nicht einmal die Akten nach Hause nehmen durften,
habe der erste Präsident des Reichskanzler-Amts einmal zu dem Unterstaatssekretär
von Thile einen Bureaudiener geschickt mit dem Ersuchen um Uebersendung eines
gewissen Aktes. Bucher habe geraten, der Bitte nicht zu entsprechen, um schrift-
liche Requisition zu ersuchen, die er dann schon beantworten wolle. Thile habe
aber erwidert, nein, mit Delbrück lasse er sich auf einen Streit nicht ein.
Delbrück sei Bismarck entschieden zu mächtig geworden; er erinnere sich
noch so lebhaft, als wäre es gestern gewesen, des parlamentarischen Abends,
an dem der Kanzler den erstaunten Abgeordneten sein Reichseisenbahnprojekt
1) Geschäftlich kamen sie im wesentlichen zusammen nur in Versailles und zur Zeit,
als Bucher als Protokollführer des Bundesrats sungirte.