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Berlin, den 28. Februar 1878.
„Die Vorstellung des Vorstandes der jüdischen Gemeinde vom 1. d. Mts.
und die derselben beigefügten gleichlautenden Vorstellungen der Vorstände
jüdischer Gemeinden in anderen deutschen Städten sind dem Fürsten Reichs-
kanzler vorgelegt worden. Se. Durchlaucht haben von dem Inhalte mit
Interesse Kenntnis genommen und mich beauftragt, darauf Nachstehendes er-
gebenst zu erwidern. Der Herr Reichskanzler wird wie bisher, so auch künftig
gern jede geeignete Gelegenheit benutzen, um seine Teilnahme für die Erfüllung
der in jenen Vorstellungen dargelegten Wünsche zu bethätigen. Der Zeitpunkt,
zu welchem der Versuch einer solchen Einwirkung zu machen sein wird, läßt
sich freilich mit Bestimmtheit nicht vorhersehen; sollten indessen die Verhand-
lungen der aus Anlaß der gegenwärtigen Friedensunterhandlungen in Anregung
gebrachten Konferenz eine Möglichkeit dazu gewähren, so wird der deutsche Be-
vollmächtigte alle Bestrebungen unterstützen, welche dahin zielen, daß den An-
gehörigen jedweden Religionsbekenntnisses in den betreffenden Ländern dieselben
Rechte und Freiheiten zu teil werden, welche ihnen in Deutschland verfassungs-
mäßig gewährleistet sind. Ich gestatte mir zugleich, die gefällige Vermittlung
des Vorstandes der jüdischen Gemeinde zu dem Zwecke ergebenst zu erbitten,
damit die vorstehende Erwiderung auch zur Kenntnis der beteiligten Vorstände
der jüdischen Gemeinde in 2c. gebracht werde.“!1)
Unter Delbrück wurde die Handelspolitik im Reichskanzler-Amt bearbeitet.
Nach Delbrücks Abgang fing Bismarck an, sich für die Frage zu interessiren,
und dies hatte zur Folge, daß die Leitung der Handelspolitik mehr und mehr
aus den Händen des Reichskanzler-Amts glitt und in die des Auswärtigen
Amtes überging. So kam es, daß Bülow auch in handelspolitischer Beziehung
zu einer lebhaften Thätigkeit herangezogen wurde.)
Am 6. November 1878 brachte v. Bülow bei der Hochzeitsfeier der
Tochter des Kanzlers den Toast auf das Brautpaar aus. 3)
Die Erkrankung v. Bülows im Herbste 1879 war nicht auf die damaligen
politischen Vorgänge (Abwendung Rußlands von Deutschland, Alexandrowo,
1) Die „Vossische Ztg.“ Nr. 195 v. 28. 4. 81 erwähnt noch ein Schreiben v. Bülows
(in Vertretung des Reichskanzlers) an den Polizeipräsidenten v. Madai, betreffend die
Verhaftung des Hochstablers Hofmann. Bismarck ließ Madai mitteilen, daß er gegen die
Verhaftung des Schwindlers, den er gar nicht kenne, der sich aber seiner Bekanntschaft
gerühmt hatte, nichts einzuwenden habe.
2) Zu vgl. meine „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck“ Bd. I.
S. 202, 239, 268, 269, 274, 302, 303.
3) „Neue Tischgespräche und Interwiews“ Bd. I. S. 102. Teilnahme Bülows an
zahlreichen anderen gastlichen Veranstaltungen Bismarcks a. a. O. S. 96, 107 und „Fürst
Bismarck und die Parlamentarier“ Bd. I. S. 119, 129, 142, 165, 167.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 13