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Gasteiner Verhandlungen) zurückzuführen.) Um darüber zu erkranken, oder
auch nur sich zu erschrecken und aufzuregen, hatte er politisch zu feste Nerven
und wußte zu gut, daß in der Politik Stürme wie Wechsel unvermeidlich sind.
Durchaus richtig ist jedoch, daß der verhältnismäßig frühe Tod Bülows auf
die ungemeine Gewissenhaftigkeit zurückzuführen ist, mit der er die Geschäfte
leitete. «
Am 6. Oktober 1879 begaben sich Fürst Bismarck und Gemahlin an das
Krankenlager v. Bülows nach Potsdam. Der Trauerfeier für den am 20. Ok—
tober 1879 verstorbenen Minister 2) wohnte Graf Herbert Bismarck als Vertreter
seines Vaters bei. An die Witwe erging seitens des Fürsten aus Varzin ein
in warmen Worten abgefaßtes Beileidstelegramm.
In der Sitzung des Reichstags vom 15. Dezember 1884 bemerkte Bis-
marck: „Der Staatssekretär v. Bülow war ein sehr arbeitsfähiger und arbeits-
lustiger Mann und ging mit dem ihm eigenen Eifer an die Geschäfte; er konnte
dieselben aber doch auch nicht allein bestreiten, sondern war in kurzer Zeit schon
genötigt, sich einen Amanuensis in der Person des Herrn v. Radowitz zur
Seite zu stellen. Ungeachtet dieser Beihülfe ist Herr v. Bülow der Last seiner
Geschäfte erlegen. Fragen Sie jeden Arzt, der ihn behandelt hat: er ist zu
Schanden gearbeitet worden und ist schließlich in seinem amtlichen Sessel, sozu-
sagen unter Feuer, geblieben. Er war erheblich jünger als ich, ein arbeits-
kräftiger, rüstiger Mann; er hat die Sache auf die Dauer nicht durchführen
können.“
Bülows Beziehungen zu Bismarck waren stets die freundschaftlichsten und
vom Tage ihrer Bekanntschaft an in Frankfurt a. M. bis zum Tode Bülows
persönlich und von Haus zu Haus nie getrübt.
Die „Post“ brachte hierüber einen auch in der „Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung“ reproduzirten Artikel, in dem ausgeführt war: „Wir können mit
Genugthuung konstatiren, daß die deutsche Publizistik, ohne Unterschied der
Parteistellung, für den dem Vaterlande zu früh entrissenen Minister v. Bülow
nur Worte der Anerkennung, der Hochachtung und Sympathie gehabt hat.
Alle einheimischen Blätter haben mit gleicher Wärme wie der humanen Ge-
sinnungen des Verewigten, so auch der großen Verdienste gedacht, welche sich
derselbe in seiner amtlichen Wirksamkeit um Kaiser und Reich erworben hat,
und die ihm das dauerndste Andenken sichern. Auch in der ausländischen,
1) „Ein zweiter Graf Brandenburg,“ soll Bismarck gesagt haben, als er die Nachricht
von dem Tode seines ihm nahestehenden Amtsgenossen erhielt. Vgl. über diesen Ausspruch
Bismarcks die „Post“ 1880 Nr. 72, die „Vossische Ztg.“ Nr. 72 v. 13. 3. 80, und über
Bülows Stellung zu Bismarck die „Post“ 1879 Nr. 291, 313 und 321 (Nekrolog).
2) Beschreibung derselben in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 459 v. 25. 10. 79. Unter
den Blumengaben befand sich ein kostbarer, aus Lorbeerblättern und Blüten gewundener
Kranz der Fürstin Bismarck.