Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

insbesondere in der englischen und französischen Presse, sind wir fast überall 
einer gerechten Würdigung des verstorbenen Staatsmannes begegnet. Eine 
Ausnahme macht nur die „Neue Freie Presse‘, welche in ihrem Nekrolog über 
Herrn v. Bülow neben manchen anderen, von seltsamer Unkenntnis sehr be- 
kannter Thatsachen zeugenden Angaben die Behauptung aufstellt, das Verhältnis 
zwischen dem Staatssekretär und dem Reichskanzler habe sich in der letzten Zeit 
und speziell seit dem Berliner Kongreß mehr und mehr getrübt. Die Gerechtig- 
keit gegen den Toten wird wohl nicht allzu lange säumen, durch ausführlichere, 
auf authentisches Material gestützte Darlegungen die völlige Grundlosigkeit dieser 
Behauptung nachzuweisen. Nicht diese Pflicht der Gerechtigkeit, so sehr sie uns 
am Herzen liegt, gibt uns jedoch heute schon die Feder in die Hand. Wir 
halten aber die Einwurzelung der Legende für schädlich: Fürst Bismarck habe 
in dem langjährigen, vertrautesten seiner Mitarbeiter schließlich auf dem Gebiete 
der äußeren Politik einen Gegner gehabt. Deshalb säumen wir nicht, auf die 
zuverlässigsten Informationen gestützt, zu erklären, daß diese Legende eine durch 
nichts motivirte, willkürliche Erfindung ist. Mit keinem seiner Gehülfen hat 
Fürst Bismarck sich so verstanden, mit keinem ist das Verhältnis vom ersten 
bis zum letzten Tage von jedem Zwiespalt der Ansichten so absolut frei ge- 
wesen, als mit dem ausgezeichneten Staatsmann, den der Reichskanzler noch 
bei seinem letzten Aufenthalt in Berlin, nach der Rückkunft von Wien, auf dem 
Krankenlager in Potsdam zu besuchen eilte. Ebenso gänzlich aus der Luft 
gegriffen ist die weitere Behauptung der „Neuen Freien Presse“, der Staats- 
sekretär sei ein Gegner intimer Beziehungen zu Oesterreich gewesen, eine Be- 
hauptung, an welche das Wiener Blatt Variationen knüpft, die seiner Ein- 
bildungskraft mehr Ehre machen, als seiner Vertrautheit mit der wirklichen 
Sachlage. Die Wahrheit ist, daß nächst dem Fürsten Bismarck selbst auf 
deutscher Seite seit Jahren keine andere Persönlichkeit so viel dazu beigetragen 
hat, das Freundschaftsverhältnis mit der österreichisch-ungarischen Monarchie zu 
pflegen und zu befestigen, als der Minister v. Bülow.“ 
Die „Provinzial-Korrespondenz“ gedachte des Dahingeschiedenen mit folgenden 
Worten: 
„Der Kaiser und das Deutsche Reich haben einen treuen und aus- 
gezeichneten Diener verloren. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Staats- 
minister v. Bülow, ist am Montag den 20. Oktober zu Frankfurt a. M., auf 
der Reise nach Cannes, im südlichen Frankreich, von einem Schlag getroffen 
worden und den Folgen desselben an dem nämlichen Tage erlegen. Den ver- 
storbenen Minister zeichneten eine seltene Arbeitskraft, ein edler, zuverlässiger 
Charakter und eine vielseitige geistige Bildung aus. Dem Fürsten Reichskanzler 
war er seit dem Jahre 1873, wo der Verstorbene den Posten des Staats- 
sekretärs im Auswärtigen Amte antrat, ein bewährter Gehülfe. Die Liebens- 
würdigkeit seines Umgangs haben die Vertreter der fremden Regierungen nicht
	        
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