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Aber ich habe das unbehagliche Gefühl, daß in Ihrem Ministerium die
Frage bisher keiner prinzipiellen, aktiven, aggressiven Behandlung unterliegt,
sondern die Thätigkeit des Staates sich auf die abwehrende Erledigung der
einzelnen von hier oder aus dem Lande eingehenden Anregungen beschränkt. Ich
habe das persönliche Bedürfnis, die Aufgaben, an denen wir nun bald zehn
Jahre gemeinsam arbeiten, auch mit Ihnen, verehrter Freund, gemeinsam durch-
zuführen, soweit unsere Kräfte reichen. Wenn Sie aber von den Ihrigen in
der polnischen Frage keinen nachhaltigeren und freiwilligeren Gebrauch machen
als bisher, so reichen meine Kräfte zur Durchführung des mir zufallenden
Anteils nicht aus.
Ich habe infolge der Ueberanstrengung, die für mich daraus erwächst, daß
ich Ihnen und den anderen Kollegen nur in der Rolle des lästigen Bittstellers
und Mahners näher treten kann, meine Nervenkräfte erschöpft, und ich kann
mein Geschäft unter diesen Bedingungen nicht fortführen. Wir brauchen vier
Ministerpräsidenten: für Se. Majestät, wo ich fühle, daß mein Einfluß schwindet,
für die Kollegen, für das Parlament und für die auswärtigen Geschäfte. Ich
habe dran gesetzt, was ich konnte, aber meine Kraft ist verbraucht, Sie haben
die Ihrige geschont; wenn Sie jetzt nicht Ihre ersparten Ueberschüsse einsetzen,
so liquidire ich.
Ihr
v. Bismarck.
Der Schwerpunkt Eulenburgs lag in Preußen. Im Norddeutschen Bunde
verlangte es ihn nicht nach der Stellung eines Bevollmächtigten zum Bundesrat,
und im Deutschen Reich währte es fünf Jahre, bis er in diese hohe Körper-
schaft eintrat. Seine Thätigkeit in derselben beschränkte sich im wesentlichen
auf die Mitarbeit an den Abänderungen des Strafgesetzbuchs, welche damals
zur Bekämpfung der Sozialdemokratie vorgeschlagen wurden. Zur Vertretung
dieser Vorlage nahm er auch einmal im Reichstag das Wort, ohne daß es ihm
indessen gelang, deren Annahme herbeizuführen. 1)
Oberpräsident v. Möller:)
(geboren 3. Juni 1814, gestorben 2. November 1880).
Möller hatte sich in jungen Jahren ausgezeichnet als Kommissar der Cöln-
Mindener Eisenbahn und der Rheinischen Eisenbahn (unter ihm wurde die
1) Ein Schreiben des Ministers Friedrich Graf zu Eulenburg an Bismarck, d. d. Ham-
burg, 22. Sept. 1865, betreffend schleswig-holsteinische Verhältnisse, findet sich abgedruckt
in H. Kohls Bismarck-Jahrbuch Bd. III. S. 211 f., zwei Briefe Bismarcks an den Grafen
Fr. Eulenburg, d. d. 5. Nov. 1868 und 26. Sept. 1869, im Bismarck-Jahrb. Bd. IV.
S. 190 u. 191.
2) Eduard v. Möller, geboren zu Minden, Gymnasialbesuch daselbst und in Bielefeld,
Universitätsstudien in Heidelberg, 1840 Landrat in Simmern, 1843 Hilfsarbeiter im