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Als Beamter des Reichskanzler-Amts (er war zuletzt Direktor der Finanz-
abteilung) besuchte Micha5lis wohl die parlamentarischen Soireen Bismarcks;
näher ist derselbe aber dem Fürsten nicht getreten. Wohl aber kam es vor,
daß Delbrück denselben zu Vorträgen zu dem Kanzler mitnahm. Bei Eintritt
des Umschwunges der Reichspolitik in wirtschaftlicher Beziehung (Abgang
Delbrücks) wurde dem Direktor Michablis der Entwurf eines Finanzprogramms
aufgegeben. Nach der in seinem wissenschaftlichen Vorleben gewonnenen Ueber-
zeugung konnte er kein „schutzzöllnerisches“" Programm aufstellen, sein Pro-
gramm fand daher keinen Beifall, und die Einleitung der neuen Wirtschafts-
politik wurde Männern anvertraut, welche der neu einzuschlagenden Richtung
angehörten (Freiherr v. Varnbüler). Michaölis vertauschte bald darauf
das Amt als Direktor im Reichskanzler-Amt mit der Stellung eines Vor-
sitzenden der Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds. Von da ab war selbst-
redend die Gelegenheit zu direkten Beziehungen desselben zu Bismarck vorüber.
Michaölis war Mitgründer oder doch mindestens langjähriges Mitglied der
volkswirtschaftlichen Gesellschaft zu Berlin, eines Klubs, in welchem volkswirt-
schaftliche Vorträge gehalten wurden, an welche sich unter Umständen eine weitere
Besprechung knüpfte. Als Bismarck wahrnahm, daß Michaölis sich an den Ver-
sammlungen dieser Gesellschaft auch noch zu einer Zeit beteiligte, da im Schoße
derselben die Handelspolitik der Regierung bekämpft wurde, ließ ihm der Kanzler
unter der Hand eröffnen, daß er sein ferneres Verbleiben in der Gesellschaft
nicht für angemessen erachte.
Michablis war später noch in Frage gekommen, als es sich um die Neu-
besetzung des Präsidiums der Seehandlung handelte. Es fanden Unterhand-
lungen mit ihm seitens des Finanzministers und der übrigen mehr oder minder
leitenden und beratenden Persönlichkeiten statt, weil man von seiner Direktion
einen Aufschwung der wirtschaftlichen Bedeutung der Seehandlung erwartete.
Alles war bereits so weit geordnet, daß Michaölis die Zuversicht gewonnen
hatte, daß ihm ein neues bedeutenderes Feld der Thätigkeit eröffnet werde.
Fürst Bismarck entschied aber, daß eine so wichtige, leitende Stelle einem
Beamten nicht anvertraut werden könne, welcher wirtschaftlichen Tendenzen
huldigte, die denen der Regierung schroff gegenüberstanden. Michablis mochte
den Entschluß Bismarcks als einen gegen ihn gerichteten Schlag schmerzlich
empfinden; objektiv betrachtet kann man aber doch nur die Handlungsweise
Bismarcks billigen. Eine Regierung, die sich nicht selbst das Grab bereiten
und ein Zeugnis der größten Schwäche ausstellen will, darf kampflustige Ver-
treter einer anderen politischen Richtung unmöglich in leitenden Stellungen
belassen, geschweige denn sie in solche Stellungen erst bringen.