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regung gebracht, und zwar sollte die neue Literarkonvention auch an die Stelle
der zwischen Frankreich und den süddeutschen Staaten bestehenden Literar—
konventionen treten. Das Präsidium suchte im Oktober 1875 die Zustimmung
des Bundesrats zu der Einleitung der Verhandlungen und zu dem Abschluß
der Konvention nach. Die Angelegenheit kam erst im Jahre 1883 zum Abschluß. 1)
Strafgesetznovelle. In den ersten Tagen des Oktober 1875 legte
die preußische Regierung dem Bundesrat den Entwurf einer Novelle zum Straf-
gesetzbuch vor, welche dahin zielte, der Regierung in einer Anzahl sogenannter
politischer Paragraphen erweiterte Befugnisse gegenüber der ultramontanen und
der sozialistischen Agitation zu übertragen und außerdem die durch den Prozeß
Arnim und den Fall Duchesne zu Tage getretenen Lücken in der bestehenden
Gesetzgebung auszufüllen. 2)
Der Bericht des Justizausschusses des Bundesrats resumirte zunächst die
bei dem Beginn der Ausschußberatung von dem Referenten, Geheimen Justizrat
Held (Sachsen) abgegebene Erklärung. Die Frage, ob überhaupt an eine
Revision des Strafgesetzbuchs gegangen werden solle, sei von einigen Regierungen
verneint worden, die Mehrzahl aber habe sich für oder wenigstens nicht gegen
eine Revision, zugleich jedoch im Sinne einer nur beschränkten Revision aus-
gesprochen. Eine allgemeine Revision sei von keiner der Regierungen beantragt,
von einer nur eventuell empfohlen worden. Der Berichterstatter resumirte als-
dann die Gründe gegen eine Revision überhaupt: die kurze Zeit der Geltung
des Strafgesetzbuchs in den Südstaaten, die Schädigung des Ansehens der
Gesetze durch allzuschnelle und nicht absolut dringliche Abänderungen; die noch
ausstehende Lösung vieler wichtiger Fragen, welche das Strafgesetzbuch der
Wissenschaft überwiesen habe; die Erwartung, daß mit der Einführung einer
deutschen Strafprozeßordnung, insbesondere mit der Autorität eines obersten
Reichsgerichts, viele jetzt hervorgetretene Ungleichheiten der Handhabung des
Strafgesetzbuchs ausgeglichen werden; die Befürchtung, durch die Revision des
materiellen Strafrechts den organischen Justizgesetzen vorzugreifen, wie beispiels-
weise bezüglich des Instituts der Friedensbürgschaft, der Antragsrechte u. s. w.;
endlich die Hoffnung, daß manche gesellschaftliche Zustände, welche jetzt auf eine
Revision hinzudrängen scheinen, sich als vorübergehende Erscheinungen erweisen
1) Ueber den Abschluß einer Literarkonvention mit Belgien s. „Nordd. Allg. Ztg.“
Nr. 293 v. 16. 12. 75.
2) Ueber den Inhalt der Bundesratsvorlage vgl. die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 232
v. 6. 10. 75, zweites Blatt, und die „Nat.-Ztg.“ Nr. 460 v. 4. 10. 75, Nr. 461 u. 463.
v. 5. u. 6. 10. 75 (Motive). Mit der Novelle ging dem Bundesrat eine sehr sorgfältige
Uebersicht der von den Bundesregierungen auf Abänderung oder Ergänzung des Straf-
gesetzbuchs 2c. gestellten Anträge zu. Es wurde daraus ersichtlich, an welchen Stellen die
Abänderung erfolgen sollte, von welcher Regierung der Antrag gestellt war und worauf sich
dessen wesentlicher Inhalt bezog.