Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

— 223 — 
Allseits erkannte man an, daß der Ausschuß die Verpflichtung habe, unter allen 
Umständen und beziehungsweise wenigstens eventuell die Vorlage zu beraten. — 
Was das Institut der Friedensbürgschaft anbetrifft, so hatte die Mehrheit im 
Ausschusse, obwohl sie das Institut nicht schlechthin als ein für deutsches Rechts— 
leben unfruchtbares verwarf, doch geglaubt, daß jener darin enthaltene, für 
Deutschland fremde oder wenigstens fremdgewordene Gedanke zu neu und zu 
plötzlich auftrete, als daß er den Anspruch erheben könne, ohne vorausgegangene, 
tiefer gehende Betrachtungen und Erwägungen als ein ausgereifter allseitig 
anerkannt zu werden. In den günstigen Erfahrungen, welche mit dem Institut 
in anderen Ländern gemacht worden seien, liege noch keine Gewähr dafür, daß 
dasselbe in andere staatliche Verhältnisse mit gleich günstiger Wirkung sich ein— 
fügen lasse, und dem in den Motiven zur Vorlage versuchten Beweise, daß 
dieselbe oder eine ähnliche Institution auch im Deutschen Reiche ehemals gelebt 
und, wenn auch in verkümmerter Gestalt, bis in neuerer Zeit fortgelebt habe, 
sei, abgesehen von der Frage, inwieweit überhaupt dieser Beweis als gelungen 
angesehen werden könne, entgegen zu halten, daß für Deutschland durch die 
immer schärfer ausgebildete Trennung der Justiz- von der Polizeigewalt das 
Fundament des Instituts wesentlich verschoben sei. Keinesfalls könne die Ge— 
staltung, welche das Institut in der Vorlage erhalten habe, als eine frucht- 
bringende erkannt werden. Mit wie großer Geschicklichkeit es auch im engen 
Anschluß an die Einrichtung der Nebenstrafen dem System des Strafgesetzbuchs 
einverleibt sei, werde es doch gerade hierdurch von seiner weniger praktischen 
Seite her erfaßt. Das Bedürfnis einer Präventivjustiz falle mit seinem Schwer- 
punkte viel weniger in das Stadium, in welchem eine strafrechtliche Ver- 
antwortlichkeit bereits begründet sei und die Gefährlichkeit des in einer strafbaren 
Handlung bereits verkörperten Willens bei der Abmessung der verwirkten Strafe 
mit gewogen werden könne, als in das Stadium des strafrechtlich zwar noch 
nicht faßbaren, aber die Rechtssicherheit thatsächlich bereits bedrohenden ver- 
brecherischen Entschlusses. Als Accessorium einer verwirkten Hauptstrafe lasse 
das Institut das Bedürfnis einer Prävention in den Stadien vor Begründung 
einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ja selbst in den Stadien nach Begründung 
einer solchen bis zur Vollstreckung des Urteils ungedeckt. Es sei zuzugeben, daß 
der Entwurf diese Beschränkung sich habe auferlegen müssen, solange die 
bestehenden Verhältnisse es schwierig machen, die Institution in einer ihrem Geiste 
voll entsprechenden Weise auch prozessualisch auszugestalten. Gerade mit Rück- 
sicht hierauf aber erscheine die Institution in der beschränkten Weise, wie sie in 
dem Entwurfe gedacht sei, als ein durch die Zwecke der beabsichtigten Revision 
nicht gebotenes, im Sinne dieser Revision zu widerratendes Experiment, das 
als um so bedenklicher sich darstelle, je ungleichmäßiger es für vermögende und 
nicht vermögende Angeschuldigte wirken müsse. Die Mehrheit im Ausschusse 
entschied sich daher, gegenüber der Minderheit, welche die Aufnahme des In-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.