Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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gesetzbuchs sich in engeren Grenzen gehalten hätte, weil eine so ausgedehnte 
partielle Revision hauptsächlich das Bedenken gegen sich habe, daß dadurch leicht 
die Einheitlichkeit des Gesetzgebungswerks gefährdet werde. „Nachdem sich 
ergeben hat, daß die Mehrheit der verbündeten Regierungen dieses Bedenken 
nicht für zutreffend hält, hat die württembergische Regierung, welche in ihren 
dem Reichskanzler-Amt mitgeteilten Aenderungsanträgen auf wenige Punkte von 
unzweifelhaftem und dringendem Bedürfnis sich beschränkte, ihrerseits nicht mit 
weiteren Aenderungsanträgen hervortreten zu sollen geglaubt. Die Wünsche, 
welche die württembergische Regierung geltend zu machen in der Lage wäre, 
sind teilweise von der Art, daß sie ohne eingehende Untersuchung ihres Ver- 
hältnisses zum System des Strafgesetzbuches und zu den Bestimmungen über 
die Bestrafung der einzelnen Delikte, eine Berücksichtigung nicht hätten erwarten 
können. Jene eingehende Untersuchung kann wohl nur bei den Vorarbeiten zu 
einer allgemeinen Revision des Strafgesetzbuches stattfinden und dieser allgemeinen 
Revision wäre nach Ansicht der württembergischen Regierung demnächst nach 
Erledigung der dringendsten Aenderungen — näher zu treten. Nach den Mo- 
tiven zum Entwurfe ist bei Aufstellung desselben die Aenderung des Straf- 
systems außer Frage geblieben. Nach diesseitiger Auffassung wäre das Gesetz- 
buch gerade in dieser Materie der Verbesserung entschieden bedürftig. Nachdem 
das Militärstrafgesetzbuch bei den meisten Vergehen dem Richter die Wahl zwischen 
Gefängnis und Festungshaft gelassen und dadurch die Möglichkeit geschaffen hat, 
das Strafurteil der Individualität anzupassen, kann der von dem Strafsgesetz- 
buch in dieser Beziehungen eingenommene Standpunkt kaum mehr festgehalten 
werden. Es hat ferner der Entwurf selbst durch seine die Bestimmungen über 
die Bestrafung des Versuchs und die Teilnahme berührenden Vorschläge den 
Gedanken einer Revision der allgemeinen Bestimmungen des Gesetzbuches nahe 
gelegt ... Nach der Sachlage, wie sie sich hiernach darstellt, scheint schon jetzt 
das Material und die Aufforderung zu einer umfassenden planmäßigen Revision 
vorhanden zu sein. Einen bezüglichen Antrag dahin hat die württembergische 
Regierung sich für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten." 
Baden wollte eine sofortige Berücksichtigung der Anträge der verbündeten 
Regierungen auf teilweise Revision des Strafgesetzbuches. 
Sachsen wünschte die gegenwärtige Revision in etwas engeren Grenzen 
gehalten zu sehen, als sie der Entwurf zog. 
Dem Protokoll über die Plenarsitzung des Bundesrats entnehmen wir noch 
nachstehende nicht uninteressante Abstimmungsergebnisse. Gegen die sogenannten 
politischen §I§ 85, 110, 111, 130 und die neue Nr. 4 des § 92 stimmten 
Bayern, Württemberg und Schwarzburg-Rudolstadt, gegen die §8§ 85, 111 
und 118 auch Bremen, gegen die neue Nr. 4 des § 92 auch Sachsen und 
Reuß älterer Linie. Gegen § 130 auch Sachsen-Weimar und Reuß älterer 
Linie. Ein Antrag des bayerischen Bevollmächtigten, im § 126 die neu zugefügten
	        
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