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Handelsgerichte durch das Interesse des Handelsverkehrs dringend geboten,“ und
daß sie 2. jedenfalls dahin zu wirken suchen, die Reichstagskommission möge,
auch wenn sie bei dem gefaßten Beschlusse auf Wegfall der Handelsgerichte
stehen bleiben sollte, sich darum der eventuellen Beratung der einschlagenden
Bestimmungen über Handelsgerichte, wie dieselben von den verbündeten
Regierungen in dem Entwurfe der Zivilprozeßordnung und des Gerichts-
verfassungsgesetzes vorgeschlagen sind, nicht entziehen.
Der Bundesrat trat diesem Votum bei. Es fehlte nicht an Stimmen,
welche dem Beschluß der Reichstags-Justizkommission wegen Ausschließung der
Handelsgerichte aus der Gerichtsverfassung zur Seite standen, jedoch wurden
gegen denselben namentlich politische Momente geltend gemacht.
Am 3. April 1876 begannen die Beratungen des Justizausschusses des
Bundesrats über die von der Reichstags-Justizkommission bei der ersten Lesung
der Justizgesetze gefaßten Beschlüsse. Außer den Mitgliedern des Ausschusses,
welche den Beratungen der Justizkommission bereits beigewohnt hatten, nahmen
daran teil: die Justizminister von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg,
Baden, und für Hessen der Ministerialrat Kempff. Den Vorsitz führte der
preußische Justizminister Dr. Leonhardt.
Nach kaum achttägiger Arbeit hatte der Justizausschuß den größten Teil
seiner Aufgabe erledigt. Von den gefaßten Beschlüssen waren zwei von besonderer
Bedeutung. In der Gerichtsverfassung entschied sich der Ausschuß gegen die
Gestaltung der Strafgerichte mittlerer Ordnung als Schöffengericht, in der
Strafprozeßordnung gegen die Berufung, beides in Ablehnung der betreffenden
Beschlüsse der Justizkommission.!)
In der Sitzung vom 27. April 1876 stimmte der Bundesrat sämt-
lichen Anträgen des Justizausschusses über die Beschlüsse der Reichstags-Justiz=
kommission zu den Entwürfen eines Gerichtsverfassungsgesetzes, einer Strafprozeß-
und einer Zivilprozeßordnung zu und beschloß, wegen derselben nicht schriftlich,
sondern durch den Direktor der Abteilung des Reichskanzler-Amts für Justiz-
wesen, v. Amsberg, der Reichstagskommission berichten zu lassen. Besonders
wurde beschlossen, den von der Kommission eingefügten Teil über die Stellung
des deutschen Rechtsanwalts auszuscheiden und den Reichskanzler um Bearbeitung
dieser Materie in einem besonderen Entwurfe zu ersuchen. Von verschiedenen
Staaten wurden Wünsche über die spätere Verteilung der Untergerichte geltend
gemacht.
Von den Differenzpunkten, welche zwischen den Anschauungen der ver-
bündeten Regierungen und denen der Kommission des Reichstags zur Vorberatung
der Justizgesetzentwürfe in der früheren Lesung stehen geblieben waren, waren,
nachdem über die übrigen eine Verständigung stattgehabt hatte, nach einer Zu-
1) Ueber die Bedeutung dieses Beschlusses vgl. die „Nat.-Ztg.“ Nr. 172 v. 11. 4. 76.