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Präsident des Reichs-Eisenbahn-Amts Maybach!)
(geboren 29. November 1822).
Maybach trat an Scheeles Stelle in das Reichs-Eisenbahn-Amt. Als
Erbschaft fand er vor zunächst die Verhandlungen, betr. die Erhöhung der
Gütertarife um 20 %, veranlaßt durch die ungünstige Lage der Privatbahnen, )
einen Nekrolog zu schreiben. Auch Achenbach ist nun dahin, der „Lovelace“, der „Brummel“
der Regierungsmänner! Eine nüchterne Zeit bricht an! Die Besucher der Galerien im
Parlamente werden nicht mehr Gelegenheit haben, sich mit Bewunderung in die Betrachtung
eines tadellos gescheitelten Haupthaares und einer ebenso tadellosen hellen Hose am Minister-
tische zu versenken. Für das Frauenpublikum ist die Demission Achenbachs unbestritten
ein unersetzlicher Verlust. Wir wüßten wahrlich keinen unter den gewaltigen Steuermännern
des Staatsschiffes, der wie er durch große Liebenswürdigkeit, schöne Reden, elegante Hallung,
Noblesse des Benehmens und eine musterhafte Toilette würdig wäre, die Augen der „schönen
Hälfte“ der Staatsbürger an sich zu fesseln. Er war der Minister der neuesten Mode,
und wenn die Redaktion des „Bazar“ ihre Aufgabe nur einigermaßen richtig erfaßt, so
läßt sie ihre nächste Nummer mit einem breiten Trauerrand erscheinen. Außerdem, daß
Achenbach die geschmackvollsten Beinkleider, die best ansitzenden Röcke und Westen und
Kravatten trug, denen es nicht an einer gewissen poetischen Empfindung fehlte, war er
auch noch Handelsminister. Als solcher erwarb er sich keine geringen Verdienste. Er brachte
feinere Umgangsformen in die Bureaux, war Ursache, daß die Kleider der Beamten sorg-
fältiger gebürstet und geplättet wurden als bisber, und that sich vor allem dadurch hervor,
daß er auch in den bureaukratischen Geschäftsgang durch gestrenge Reskripte stets neue
Moden der Arbeitsweise einzuführen trachtete. Schwerfällige Seelen, denen es an Viel-
seitigkeit gebrach, tagtäglich in neuen Formen zu schaffen, nannten das „Kleinlichkeits-
krämerei“. Die hauptsächliche Eigenschaft, die ihn in den Abgrund der Portefeuillelosigkeit
stürzte, war seine maßlose Gewissenhaftigkeit. Im beunruhigenden Bewußtsein seiner per-
sönlichen Verantwortlichkeit für jeden Rostflecken an der kleinsten Niete in der Maschine
des Handelsministeriums gab er sich mit so viel Kleinem ab, daß ihm dann natürlich die
Zeit fehlte, etwas Großes zu leisten. So kam sein unzweifelhaft sehr bedeutendes Talent
gar nie dazu, sichtbar zu werden. Für den Staat ist Achenbachs Rücktritt glücklicherweise
kein Verlust; derselbe zählt zwar jetzt einen eleganten Minister weniger, dafür aber einen
eleganten Ober-Präsidenten mehr. Gott gebe seinen Restkripten die ewige Ruhe.
1) v. Maybach, geboren zu Werne in Westfalen, 1845 Eintritt in den preußischen
Justizdienst, 1853 in den Eisenbahnverwaltungsdienst, wurde als Regierungsassessor bei
der westfälischen Bahn angestellt, vom damaligen Handelsminister v. d. Heydt beauftragt,
die Verhandlungen wegen des Ankaufs der Oberschlesischen Bahn durch den Staat zu leiten.
Maybach ward nachher mit der Direktion der Ostbahn betraut und fungirte als Staats-
kommissarius bei der Tilsit-Insterburger Bahn, um später (1858) als vortragender Rat
in das Handelsministerium berusen zu werden. Bei der Annerion Hannovers wurde er
zum Präsidenten der Direktion der hannoverschen Staatsbahnen und später, nach dem
Rücktritt des Geheimrats Scheele, zum Präsidenten des Reichs-Eisenbahn-Amts und demnächst
zum Unterstaatssekretär im Handelsministerium, 31. März 1878 zum Handelsminister er-
nannt. 14. März 1888 Verleihung des Schwarzen Adler-Ordens, 20. Juni 1891 Rücktritt
in den Ruhestand.
2) Vgl. hierüber mein Werk: „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck"
Bd. I. S. 191.