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Frage 1) beschloß der Bundesrat, daß die nach Maßgabe des Militärstraf-
gesetzbuches auf die bürgerlichen Behörden übergehende Vollstreckung der von
Militärgerichten erkannten Strafen durch die bürgerlichen Behörden des Heimats-
staates, wenn entweder die strafbare Handlung außerhalb des Bundesgebiets
verübt worden oder der Verurteilte im Gebiete des Heimatsstaates sich aufhält,
in anderen Fällen durch die bürgerlichen Behörden des Bundesstaates, in dessen
Gebiet die strafbare Handlung verübt worden ist, zu erfolgen habe. Die
württembergische Regierung stimmte gegen diesen Beschluß, weil nach ihrer
nsicht derselbe mit dem bestehenden Recht sich nicht im Einklang befand, während
sie andererseits bereit war, zum Abschluß einer grundsätzlichen Regelung der
Frage die Hand zu bieten.2)
Gesetze auf dem Gebiete der Medizinalpolizei. Die Be-
ratungen der Bundesratsausschüsse über die Medizinalstatistiks) führten zu
sehr lebhaften Erörterungen über diejenigen Gegenstände, welche der Bericht des
Geheimen Regierungsrats Dr. Engel über die Verhandlungen der Spezial-
kommission berührte. Die Ausschußverhandlungen ließen es als wahrscheinlich
ansehen, daß zunächst dem Bundesrat ein Gesetz über Errichtung eines Reichs-
Gesundheitsamts vorgelegt werden möchte. Der Ausschuß nahm ferner den
Entwurf eines Leichenschaugesetzes in Aussicht, und zwar womöglich in dem
Rahmen, den die erwähnte Spezialkommission vorgezeichnet hatte. Endlich war auch
ein Gesetz über obligatorische Fleischschau projektirt, namentlich gegenüber der
Trichinose, welche zu einer Kalamität für Deutschland zu werden drohte. 4)
Den Gesetzentwurf, betreffend Anzeigepflicht bei gemeingefähr-
lichen Krankheiten, beschloß der Bundesrat, bis zur Fertigstellung des
Gesetzes über die obligatorische Leichenschau zurückzulegen.
Die Thatsache, daß trotz des Bundesratsbeschlusses vom 30. Juni 1873
das Reichs-Gesundheitsamt noch immer nicht ins Leben getreten war, gab in
1) cf. S. 126.
2) Bundesratsverhandlungen über einen Auslieferungsvertrag mit Luxemburg s. „Post“
Nr. 69 v. 21. 3. 76, mit Oesterreich-Ungarn „Nat.-Ztg.“ Nr. 153 v. 31. 3. 76, Bundesrats-
beschluß bezüglich des Entwurfs eines Gefängnisgesetzes „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 94
v. 24. 4. 75.
3) ef. S. 127. Ausschußbericht binsichtlich der Kommission zur Vorbereitung einer
Reichs-Medizinalstatistik s. „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 215 v. 15. 9. 75 und Nr. 239
v. 14 10. 75.
4) Die über die Anzeigepflicht bei ansteckenden und gemeingefährlichen Krankheiten
und über die Einführung einer obligatorischen Leichenschau von der Kommission zur Vor-
bereitung einer Reichs-Medizinalstatistik entworfenen, von den Bundesratsausschüssen für
Handel und Verkehr im wesentlichen gebilligten grundsätzlichen Bestimmungen für den
Erlaß entsprechender Reichsgesetze findet man abgedruckt in der „Nat.-Ztg.“ Nr. 483
v. 17. 10. 75, Nr. 573 v. 4. 11. 75 und in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 259 v. 6. 11. 75.