Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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und so ergibt sich die Alternative, die Regelung vollständig und ohne Rücksicht 
auf die entgegenstehenden Interessen des allgemeinen Wohls als Territorial= 
angelegenheit zu behandeln, oder aber Vorsorge zu treffen, daß um formeller 
Kompetenzbestimmungen willen eine im Interesse des ganzen Reiches dringend 
gewordene gemeinsame Regelung nicht unterbleiben müsse. In einer Frage, wie 
diese, welche alle Bundesstaaten gleich tief berührt und überall gleichartige 
Interessen trifft, dürften die Anschauungen der hohen Bundesregierungen, sowohl 
was die Ermöglichung einer gemeinsamen Regelung als auch was deren Inhalt 
betrifft, nicht weit auseinandergehen. 
Der Unterzeichnete beantragt daher: der Bundesrat wolle sich mit der 
reichsgesetzlichen Regelung des Verkehrs mit Sprengmitteln einverstanden erklären 
und die hohen Bundesregierungen ersuchen, sich über die zu treffenden Bestim- 
mungen gegen das Reichskanzler-Amt zu äußern. 
Der Reichskanzler: 
v. Bismarck. 
Der Beschluß des Bundesrats lautete: „Der Bundesrat erklärt sich mit 
der einheitlichen Regelung des Verkehrs mit Sprengmitteln einverstanden und 
ersucht die Bundesregierungen, mit thunlichster Beschleunigung über die zu 
treffenden Bestimmungen gegen das Reichskanzler-Amt sich zu äußern, schon 
vorher aber demselben die dermalen geltenden Bestimmungen mitzuteilen." 
Transport polynesischer Arbeiter. Seit längerer Zeit war es 
auf mehreren Inselgruppen Polynesiens üblich geworden, Arbeiter von anderen 
Inselgruppen einzuführen. Das Interesse, diese Arbeitskräfte zu erhalten, hatten 
namentlich die auf diesen Inseln angesiedelten Europäer, unter denen sich auch 
Deutsche befanden. Bei dieser Einführung freier Arbeiter hatten sich indessen 
so schwere, dem Sklavenhandel sich in hohem Grade nähernde Mißbräuche heraus- 
gestellt, daß nach dem Vorgange Englands ein Einschreiten der deutschen Gesetz- 
gebung erforderlich erschien. Es wurde daher vom Reichskanzler dem Bundesrat 
der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, dessen einziger Paragraph lautete: „Mit 
Geldstrafe bis zu 6000 Mark oder mit Gefängnis wird bestraft, wer den vom 
Kaiser mit Zustimmung des Bundesrats erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, 
durch welche die Beförderung eingeborener Arbeiter von den polhnesischen Inseln 
auf deutschen Schiffen, oder die Beschäftigung von solchen Arbeitern oder von 
Gefangenen auf deutschen Ansiedelungen verboten oder beschränkt wird. Ob 
die strafbare Handlung im Inlande oder Auslande begangen ist, begründet 
keinen Unterschied."“ 
Der Gesetzentwurf ging nach Durchberatung im Bundesrat an den Reichs- 
tag (25. November 1875), wurde aber von der Reichsregierung nach dem Aus- 
fall der Abstimmung daselbst zurückgezogen (9. Februar 1876, Sten. Ber. 
S. 1322).
	        
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